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Vorlesung Romantik Text

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<strong>Vorlesung</strong> Französische <strong>Romantik</strong> WiSe 2010/2011<br />

entdeckt werden, werden in dieser Zeit auch zur typisch „romantischen“ Landschaft.<br />

Auch die um die Mitte des 18. Jahrhunderts aufkommende Mode der englischen<br />

Gärten, deren Auswirkungen wir heute noch im Weimarer Park an der Ilm<br />

beobachten können, ist mit dieser visuellen, auf Landschaft bezogenen Bedeutung<br />

von „romantisch“ verbunden.<br />

In dieser auf Landschaft bezogenen, visuell konnotierten Bedeutung gelangt der<br />

Ausdruck um 1770 auch nach Frankreich. Der französische Shakespeare-Übersetzer<br />

Pierre Letourneur benutzt den neuen Begriff zur Beschreibung von Gartenkunst und<br />

Malerei und übersetzt ihn als „romantique“, während er das bereits existierende<br />

„romanesque“ für literarische Bezüge beibehält. In seinem 1777 erschienenen Werk<br />

über Landschaftsarchitektur, De la composition des paysages, benutzt dann auch<br />

René-Louis de Girardin, ein Freund und Mäzen von Rousseau, das Wort in diesem<br />

Sinn: Er unterscheidet literarische Assoziationen, die er „poetisch“ nennt, und<br />

malerische, die er als „romantique“ bezeichnet. Auf Girardins Musterlandsitz<br />

Ermenonville ist Rousseau 1778 gestorben, und wahrscheinlich kannte er Girardins<br />

Gebrauch des Wortes bereits, als er in seinen letzten zwei Lebensjahren an den<br />

Rêveries du promeneur solitaire schrieb. In der 1782 erstmals erschienenen Schrift<br />

taucht jedenfalls die Stelle auf, die bis heute als der wichtigste frühe Beleg für das<br />

Wort „romantique“ im Französischen gilt. Im fünften Spaziergang findet es sich zur<br />

Beschreibung der Landschaft um den Bieler See im Vergleich zu der um den Genfer<br />

See: „Les rives du lac de Bienne sont plus sauvages et romantiques que celles du lac<br />

de Genève, parce que les rochers et les bois y bordent l’eau de plus près; mais elles ne<br />

sont pas moins riantes“. Rousseau verwendet „romantique“ also hier als Synonym<br />

von „sauvage“, und beides, um den Eindruck zu fassen, den die ans Wasser des Sees<br />

reichenden Felsen und Wälder auslösen.<br />

Daß auch für die Frühromantiker in Jena dieser Zusammenhang des Wortes<br />

„romantisch“ zur Beschreibung von Landschaftseindrücken noch ganz präsent war,<br />

zeigt eine Formulierung von August Wilhelm Schlegel, der 1800 Horace Walpoles<br />

History of the Modern Taste in Gardening von 1780 übersetzt hat. Bei aller<br />

Sympathie für den englischen gegenüber dem französischen Garten, merkt Schlegel<br />

dennoch einschränkend an, daß eine eigentliche Verschönerung der Natur auch im<br />

englischen Garten kaum möglich sei, da die Natur ohne menschliches Zutun bereits<br />

die eindrucksvollsten Szenen geschaffen habe:<br />

[…] wer sich einbildete, etwas Schöneres in einer gewissen Art hervorbringen zu können,<br />

als die Natur irgendwo ohne menschliche Absicht schon veranstaltet hat, müßte entweder<br />

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