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Vorlesung Romantik Text

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<strong>Vorlesung</strong> Französische <strong>Romantik</strong> WiSe 2010/2011<br />

[L’auteur] avait toujours eu une vive sympathie de poète […] pour le monde oriental. Il lui<br />

semblait y voir briller de loin une haute poésie. […] Là, en effet, tout est grand, riche,<br />

fécond, comme dans le moyen-âge, cette autre mer de poésie. 111<br />

Wir haben in den Orientales also die Aufwertung des Mittelalters, die wir schon seit<br />

Mme de Staël kennen und die Hugo sich selbst in den Balladen bereits zunutze<br />

gemacht hatte, aber nun kommt noch ein sehr weiträumig verstandener Orient als<br />

Projektionsfläche dazu. Es geht bei Hugo nicht darum, den Orient, wie auch immer<br />

definiert, zu verstehen oder angemessen zu repräsentieren, sondern um einen<br />

Imaginationsraum, der ungewohnte neue Bilder bereithält.<br />

Das artistische Meisterstück in den Orientales ist „Les Djinns“, in dem Mittelalter<br />

und Orient ganz wörtlich zusammenkommen: das Motto ist aus dem fünften Gesang<br />

von Dantes Inferno entnommen, und die Geschichte der Djinns, die hier eher<br />

Vampire sind, wird in 15 Strophen mit jeweils acht Versen und dem Reimschema<br />

ababcccb erzählt, das wir bereits kennen. Doch die Schwierigkeit ist gegenüber der<br />

Ballade mit dem Turnier des Königs Jean noch dadurch gesteigert, daß die erste<br />

Strophe zweihebig ist, die zweite dreihebig, die vierte vierhebig, usw. bis zur<br />

zehnhebigen achten Strophe, und daß dann alles wieder zurückläuft bis zur<br />

zweihebigen letzten Strophe, also in etwa so:<br />

XX<br />

XXX<br />

XXXX<br />

XXXXX<br />

XXXXXX<br />

XXXXXXX<br />

XXXXXXXX<br />

XXXXXXXXXX<br />

XXXXXXXX<br />

XXXXXXX<br />

XXXXXX<br />

XXXXX<br />

XXXX<br />

XXX<br />

XX<br />

Hugo beweist damit, daß er das Formrepertoire nicht nur souverän beherrscht,<br />

sondern damit auch um der Form willen zu spielen versteht. Der Inhalt von<br />

Gedichten wie den Djinns ist fast nur noch Vorwand und dient der Zeichnung einer<br />

111 Ebd., S. 580.<br />

128

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