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Vorlesung Romantik Text

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<strong>Vorlesung</strong> Französische <strong>Romantik</strong> WiSe 2010/2011<br />

Allerdings bekommt er bald Zweifel an der Vereinbarkeit der beiden<br />

Frauengeschichten. Als er die Arbeit an seinem Roman 1809 wieder aufnimmt, ist<br />

von einem glücklichen Teil nicht mehr die Rede, er konzentriert sich mittlerweile<br />

ausschließlich auf die Ellénore-Geschichte. Im Freundeskreis liest er bereits Passagen<br />

aus dem Werk vor, das er dann 1810 in eine abgeschlossene Form bringt. An eine<br />

Publikation dachte er anscheinend zuerst nicht, er begnügte sich weiterhin damit,<br />

gelegentlich Auszüge in Gesellschaft vorzutragen.<br />

Erst 1816 entschloß er sich zu einer Veröffentlichung. [Parallele Existenz von<br />

Literatur als sozialer Praxis in der gehobenen Gesellschaft, die generell nicht auf<br />

Öffentlichkeit zielte, und als einer publikumsorientierten Literatur]<br />

Constant war während der 100 Tage nach der Rückkehr Napoleons von Elba einer<br />

der prominentesten Intellektuellen, die die liberale Wende des neuen Bonapartismus<br />

bezeugen sollten. Als Bonaparte im Frühjahr 1815 wieder in Paris war, hatte Constant<br />

einen Posten als Staatsrat angenommen und angeboten, einen Zusatz zur Verfassung<br />

zu schreiben. Dieses Engagement für Bonaparte wurde ihm nach der endgültigen<br />

Niederlage des Kaisers und der Rückkehr der Bourbonen zur Last gelegt, und er<br />

flüchtete, um drohenden Repressionen zu entgehen, nach London. In dieser auch<br />

finanziell schwierigen Lage erhielt Constant ein lukratives Angebot, den Roman, aus<br />

dem er auch in London in Gesellschaft weiter vorlas, zu verkaufen. Die Fassung, die<br />

wir heute kennen, ist also das Resultat einer oft unterbrochenen, zehnjährigen Arbeit,<br />

in deren Verlauf Constant sich mehrfach kritisch zu Chateaubriand und zu dessen<br />

literarischen und politischen Schriften geäußert hatte. Constant hatte mehrere<br />

Anläufe genommen, eine grundsätzliche Kritik von Chateaubriands 1809<br />

erschienenen Martyrs zu schreiben, in der er sich zur Frage des „merveilleux<br />

chrétien“ äußern wollte. Die Debatte war mit dem Erscheinen von Chateaubriands<br />

Werk in mehreren Zeitschriften geführt worden, und verlängerte die Frage nach einer<br />

zeitgemäßen Entsprechung der antiken Mythologie, die bereits die Diskussion<br />

zwischen De la littérature und dem Génie du christianisme geprägt hatte. Die<br />

Fragemente, die von Constants Kritik erhalten sind, zeigen, daß er die Martyrs unter<br />

religionshistorischem Aspekt für anachronistischen Blödsinn hielt, 63 wenn er in dem<br />

<strong>Text</strong> auch „beautés de styles“ gefunden hatte. Religionsgeschichte war ein Thema, mit<br />

63 Vgl. den Brief an Sismondi vom 22.3.1809, hier nach Constant: OC. Œuvres III,1, S. 533: „Je<br />

connais les premiers libres de cet ouvrage. Il y a de beautés de style, mais le plan est très mauvais,<br />

l’imitation d’Homère servile et déplacée, l’érudition mythologique récente, lourde et superficielle,<br />

et l’état dans lequel le Polythéisme est représenté, un anachronisme continuel ».<br />

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