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Vorlesung Romantik Text

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<strong>Vorlesung</strong> Französische <strong>Romantik</strong> WiSe 2010/2011<br />

aus den Mémoires d’outre-tombe, die wir schon in der ersten Woche gesehen hatten,<br />

daß nämlich Chateaubriand den nachfolgenden Generationen seine ‚Krankheit‘<br />

übertragen habe („J’ai peur d’avoir été le premier coupable ; novateur né, j’aurai<br />

peut-être communiqué aux générations nouvelles la maladie dont j’étais atteint“). 39<br />

Wir werden auf René im Zusammenhang mit den romantischen Selbstentwürfen<br />

noch einmal zurückkommen, für den Anfang – und für diejenigen, die vielleicht die<br />

Lektüre noch nicht abgschlossen haben – fasse ich aber schon einmal kurz den Inhalt<br />

der Erzählung zusammen:<br />

René ist ein junger bretonischer Adliger, der beim Indianerstamm der Natchez in<br />

Louisiana lebt. Er ist dort zwar mit einer Indianerin verheiratet, lebt jedoch praktisch<br />

von ihr getrennt. Im Kreis der Stammesältesten erzählt er sein Leben, und diesem<br />

Bericht folgen wir im Lauf des <strong>Text</strong>s. Seine Zuhörer sind seine Adoptivväter, der<br />

Indianer Chactas und der französische Missionar Père Souël, also ein Geistlicher. Die<br />

Rahmenhandlung spielt zu Beginn des 18. Jahrhunderts, nach dem Ende der<br />

Herrschaft Ludwigs XIV. René berichtet von seiner Flucht aus Europa in die<br />

amerikanische Wildnis. Renés Mutter ist bei seiner Geburt ums Leben gekommen,<br />

und seinen Vater, auf dessen einsamem Schloß er seine Kindheit verbringt, erlebt er<br />

als furchterregenden Tyrannen. Als zweitgeborener Sohn kann er nicht auf die<br />

Erbschaft hoffen. Mit seiner Schwester Amélie verbindet ihn eine große Zuneigung,<br />

die in gemeinsamen romantischen Naturerlebnissen in der bretonischen Landschaft<br />

noch gesteigert wird. Nach dem Tod des Vaters trennt sich René von seiner Schwester<br />

und verläßt das Schloß. Er überlegt für einen Moment, ins Kloster zu gehen,<br />

entscheidet sich dann aber für Reisen durch die Länder der antiken Kultur, also<br />

durch Italien und Griechenland, und durch den modernen Norden, nämlich Ossians<br />

Schottland. Er durchreist also die Kulturräume des homerischen Südens und des<br />

ossianischen Nordens, die auch im „vague des passions“-Kapitel, auf das, wie gesagt,<br />

René ursprünglich folgte, ausführlich kommentiert werden. Zentrale Ideen dieses<br />

Kapitels tauchen auch an anderen Stellen des Romans auf, so in der Beschreibung<br />

von Renés Spaziergängen durch die wilde bretonische Natur. Chateaubriand betreibt<br />

dabei zudem ein intertextuelles Spiel mit Rousseaus Rêveries, deren Bedeutung für<br />

die Begriffsgeschichte der <strong>Romantik</strong> wir ja bereits gesehen hatten. In René heißt es:<br />

[…] comment exprimer cette foule de sensations fugitives que j’éprouvais dans mes<br />

promenades? Les sons que rendent les passions dans le vide d’un cœur solitaire,<br />

ressemblent au murmure que les vents et les eaux font entendre dans le silence d’un<br />

39 FDC: MOT Teil 1, Buch 4, Kap. 12<br />

38

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