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Vorlesung Romantik Text

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<strong>Vorlesung</strong> Französische <strong>Romantik</strong> WiSe 2010/2011<br />

12) Balzac: Comédie humaine; Lyrik: Lamartine, Hugo etc.<br />

Wir hatten in der letzten Woche die Wirkung gesehen, die Walter Scotts Modell des<br />

historischen Romans in Frankreich gehabt hat. Speziell am Beispiel der Romane von<br />

Alfred de Vigny (Cinq-Mars), Victor Hugo (Notre-Dame de Paris) und Alexandre<br />

Dumas père (Les Trois Mousquetaires), aber auch im historischen Drama von Hugo<br />

oder Dumas (Cromwell, Marion Delorme, Hernani, Le Roi s’amuse, Henri III et sa<br />

cour) lassen sich die französischen Variationen des schottischen Vorbilds erkennen).<br />

Wir hatten auch gesehen, daß der früheste von Balzacs Romanen, der Eingang in die<br />

Comédie humaine findet, Les Chouans von 1829, noch ganz nach dem Vorbild der<br />

Scottschen Waverley-Romane gestrickt ist und den Widerstand der katholischen und<br />

royalistischen Bretagne gegen die zentralisierende Revolution heroisiert. Nur wenig<br />

von dem, was Balzac vor 1830 geschrieben hat, wird auch in der Comédie landen.<br />

Balzac kommt 1799 in Tours zur Welt – sein Geburtshaus stand noch bis 1940, dann<br />

wurde die Stadt von den Deutschen bombardiert – und zieht nach einer freudlosen<br />

Kindheit mit mittelmäßigen Schulergebnissen mit der Familie nach Paris, wo er 1816<br />

ein Jurastudium an der Sorbonne beginnt. Er arbeitet nebenbei in verschiedenen<br />

Anwaltskanzleien und schreibt an historischen Dramen und Romanen. 1819 hat er<br />

ein fünfaktiges Versdrama über Cromwell verfaßt, das aber bei der Lektüre im<br />

Familienkreis einstimmig abgelehnt wird. Balzacs schriftstellerische Arbeiten in<br />

dieser Zeit sind sehr typisch für das großstädtische literarische Proletariat der<br />

<strong>Romantik</strong>, und viele Romane, die sich in der Comédie humaine wiederfinden,<br />

schildern dieses Milieu, in dem sich Journalisten, Verleger, Theater- und<br />

Romanschriftsteller bewegen und mit mehr oder weniger kriminellen Tricks<br />

versuchen, zu Geld zu kommen. Balzac schreibt zwischen 1821 und 1824 etwa zehn<br />

Romane pro Jahr, von denen allerdings keiner unter seinem Namen veröffentlicht<br />

wird. Er arbeitet u. a. für eine sogenannte Romanfabrik, in der Abenteuerromane<br />

nach Scottschem Vorbild am Fließband hergestellt werden. Balzac bedient bei dieser<br />

Schreibarbeit alle gängigen Unterhaltungsgenres, vom Schauerroman bis zum<br />

sentimentalen Liebesroman und lernt dabei sein ‚Handwerk‘ tatsächlich wie einen<br />

Handwerksberuf durch serienweise Imitation. In einer ähnlichen Beschäftigung<br />

hatten wir ihn schon im Zusammenhang mit der industriellen Produktion von<br />

historischen Memoiren gesehen, als er 1829 an den Memoiren des Henkers Sanson<br />

beteiligt war. 1825 versucht er sein Glück als Verleger und steigt in illustrierte<br />

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