Vorlesung Romantik Text
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<strong>Vorlesung</strong> Französische <strong>Romantik</strong> WiSe 2010/2011<br />
De 1830 à 1831, nous crûmes que le romantisme était le genre historique, ou, si vous<br />
voulez, cette manie, qui depuis peu, a pris nos auteurs d’appeler des personnages de<br />
romans et de mélodrames Charlemagne, François I er ou Henri IV, au lieu d’Amadis,<br />
d’Oronte ou de Saint-Albin. […]<br />
Stendhal veröffentlichte 1825 einen zweiten Teil von Racine et Shakespeare, in dem<br />
er auf eine 1824 erschienene Rede eines Mitglieds der Académie française reagierte,<br />
der noch einmal aus klassischer Position das romantische Theater, oder das, was er<br />
dafür hielt, frontal angegriffen hatte. Stendhal führt dagegen aus, daß es ein solches<br />
Theater noch nicht gebe, benennt aber die Bedingungen, die es zu erfüllen hätte:<br />
Une tragédie romantique est écrite en prose, la succession des événements qu’elle<br />
présente aux yeux des spectateurs dure plusieurs mois, et ils se passent dans des lieux<br />
différents. Que le ciel nous envoie bientôt un homme à talent pour faire une telle<br />
tragédie. 94<br />
Es gäbe zu Stendhals zweitem Pamphlet noch viel zu sagen, aber ich möchte jetzt zu<br />
dem <strong>Text</strong> kommen, den die Literaturgeschichte üblicherweise als das<br />
epochemachende Werk betrachtet, das Stendhals Anspruch an eine „tragédie<br />
romantique“ am ehesten erfüllt hat. Wir werden aber gleich sehen, daß auch Hugos<br />
Hernani, von dem nun die Rede sein soll, Stendhals Forderungen nur teilweise<br />
gerecht wird.<br />
Hugo: Préface de Cromwell, Theorie des „drame“, Marion Delorme,<br />
Hernani<br />
Die aggressive Haltung, mit der die englische Schauspieltruppe 1822 im Théâtre de la<br />
Porte Saint-Martin empfangen worden, hatte sich innerhalb weniger Jahre<br />
grundlegend gewandelt. Als 1828 in Paris wieder eine englische Truppe Shakespeare<br />
im Original bietet, wird sie triumphal empfangen. Die Wende, deren Anfang wir mit<br />
Stendhals Pamphleten von 1823 und 1825 gesehen hatten, war innerhalb von sechs<br />
Jahren deutlich vollzogen. Victor Hugo hatte 1827 ein 6000 Verse umfassendes,<br />
historisches Drama über Oliver Cromwell verfaßt, den englischen Staatsmann des<br />
17. Jahrhunderts. Diesem Drama stellte er ein langes Vorwort voran, in dem er seine<br />
Theorie des romantischen Dramas entwickelte. Shakespeare war darin eine der<br />
wichtigsten Bezugsgrößen. François Guizot, ein liberaler Historiker, der unter der<br />
Julimonarchie nach 1830 eine große politische Karriere machen sollte, hatte bereits<br />
1821 eine neue Shakespeare-Ausgabe betreut, die auch für Hugos Bild des Engländers<br />
94 Ebd., S. 472.<br />
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