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Vorlesung Romantik Text

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<strong>Vorlesung</strong> Französische <strong>Romantik</strong> WiSe 2010/2011<br />

klassischen Theaters würden das aber ausschließen, deshalb sei die Synthese von<br />

Tragischem und Komischem, die Shakespeares Stücke bieten, das ideale Modell für<br />

das moderne Theater: Nicht Tragödie oder Komödie, sondern alles in einem unter<br />

der Bezeichnung des Dramas. In einem historischen Durchgang durch die Geschichte<br />

der Weltliteratur, den Hugo in der „Préface“ bietet, verkörpert Shakespeare deshalb<br />

den Beginn und vorläufigen Höhepunkt der modernen Literatur:<br />

Nous voici parvenus à la sommité des temps modernes. Shakespeare, c’est le drame; et le<br />

drame, qui fond sous un même souffle le grotesque et le sublime, le terrible et le bouffon,<br />

la tragédie et la comédie, le drame est le caractère propre de la troisième époque de<br />

poésie, de la littérature actuelle. 97<br />

Hugo teilt die Geschichte der Weltliteratur in drei Epochen ein, eine der Ode, eine<br />

des Epos und eine des Dramas:<br />

1) Les temps primitifs sont lyriques<br />

2) les temps antiques sont épiques<br />

3) les temps modernes sont dramatiques.<br />

Besonders die Verbindung des Sublimen mit dem Grotesken führt Hugo in vielen<br />

Variationen als das besondere Kennzeichen der modernen Dichtung seit dem<br />

Christentum an. Dantes Frauengestalten seien deswegen so sublim, weil Dante auch<br />

den conte Ugolino gezeichnet hat, der in einer gräßlich-grotesken Szene im<br />

Hungerturm seinen eigenen Kinder aufißt. Der direkte Kontakt des Sublimen mit<br />

dem Grotesken hebe erst das Sublime hervor, deshalb sei auch das moderne<br />

Erhabene dem antiken überlegen.<br />

Das neue Drama erfordert aber auch neue Aufführungspraktiken. Ein<br />

herkömmlicher Theaterabend beginnt zwischen 17 und 18 Uhr und endet gegen 23<br />

Uhr. In der Zeit wird den Zuschauern normalerweise ein Versprolog geboten, dann<br />

folgt ein kleines Stück und schließlich ein großes, fünfaktiges Drama. Dazwischen<br />

gibt es musikalische Intermezzi. Hugo schlägt nun vor, daß diese gesamte Zeit für ein<br />

einziges Stück benutzt werde. Der Cromwell mit seinen 6000 Versen würde einen<br />

solchen Abend füllen Wie Guizot spricht Hugo vom „tableau“, das auf der Bühne<br />

entworfen werden sollte. Die Charaktere sollten sich während des Stücks entwickeln<br />

können und in den Zusammenhang ihrer historischen Epoche gestellt werden. Das<br />

erfordere zwangsläufig mehr Aufführungszeit als ein herkömmliches Stück, das nach<br />

zwei Stunden zu Ende sein muß:<br />

97 Hugo: Préface de Cromwell (1827).<br />

96

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