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Vorlesung Romantik Text

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<strong>Vorlesung</strong> Französische <strong>Romantik</strong> WiSe 2010/2011<br />

certaine fierté d’ame, un détachement de la vie, que font naître, et l’âpreté du sol, et la<br />

tristesse du ciel, devoient rendre la servitude insupportable. 22<br />

Die ossianische Literatur des Nordens sei aber nicht nur gedankenreicher und<br />

freiheitsliebender, sie sei zudem noch universeller, da sie naturverbundener sei und<br />

deshalb die Gefühle stärker anspreche als die abstrakte antike Mytholgie. Wir finden<br />

hier bereits alle Negativurteile gegen die Klassik, die wir in Hugos <strong>Text</strong> von 1824<br />

gesehen hatten, nur verpackt in eine Spekulation über die früheste nordische<br />

Literatur:<br />

Les émotions causées par les poésies ossianiques peuvent se reproduire dans toutes les<br />

nations, parce que leurs moyens d’émouvoir sont tous pris dans la nature; mais il faut un<br />

talent prodigieux pour introduire, sans affectation, la mythologie grecque dans la poésie<br />

française. Rien ne doit être, en général, si froid et si recherché que des dogmes religieux<br />

transportés dans un pays où ils ne sont reçus que comme des métaphores ingénieuses. La<br />

poésie du nord est rarement allégorique; aucun de ses effets n’a besoin de superstitions<br />

locales pour frapper l’imagination. 23<br />

Das Schema wiederholt Mme de Staël auch für die Beschreibung des Verhältnisses<br />

zwischen der französischen Literatur des 18. Jahrhunderts, in dem sie fast nur<br />

Rousseau gelten läßt, und der englischen und deutschen Literatur. Man hat ihr oft<br />

vorgeworfen, sie habe von der deutschen Gegenwartsliteratur zu diesem Zeitpunkt<br />

noch überhaupt keine Ahnung gehabt, und dieser Vorwurf ist sicherlich berechtigt.<br />

Er fällt aber für die Argumentation des Buchs nicht wirklich ins Gewicht, da es um<br />

immer neue Ausprägungen des einmal festgestellten Gegensatzes zwischen der<br />

Literatur des Südens, für die in den letzten Kapiteln vor allem die französische steht,<br />

und der Literatur des Nordens, die von Ossian genauso repräsentiert werden kann<br />

wie von Werther. Entscheidend ist, daß das, was sie als Literatur des Nordens<br />

bezeichnet, den Leser emotional ergreift, weil diese Literatur sich einer allen spontan<br />

zugänglichen Bildsprache bediene, während die Literatur des Südens auf die<br />

„superstitions locales“ angewiesen sie, um wirken zu können.<br />

Louis de Fontanes, des Freund und Mentor des jungen Chateaubriand, reagierte<br />

auf Mme de Staëls Buch im Juni 1800 mit einer langen Rezension im ersten Heft des<br />

Mercure de France. Der Mercure war mit Bonapartes Erlaubnis neugegründet<br />

worden und hatte den Auftrag, ästhetische und politische Fragen im Sinne der neuen<br />

Regierung zu behandeln. Das hieß auf ästhetischem Gebiet, daß eine Mischung aus<br />

Katholizismus und Staatsklassizismus gewünscht war. In diesem Sinn kritisierte<br />

Fontanes De la littérature. Doch benutzte er seine sehr ausführlich, über mehrere<br />

22 Ebd., S. 180.<br />

23 Ebd., S. 181–182.<br />

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