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Vorlesung Romantik Text

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<strong>Vorlesung</strong> Französische <strong>Romantik</strong> WiSe 2010/2011<br />

À qui m’en prendre de mon mécompte ? J’ai peur d’avoir été le premier coupable ;<br />

novateur né, j’aurai peut-être communiqué aux générations nouvelles la maladie dont<br />

j’étais atteint. 7<br />

Denkt man sich das jeweilige Gegenteil zu den Attributen, mit denen FDC die<br />

Literatur des 18. Jahrhunderts versieht, erhält man in etwa eine Charakteristik<br />

dessen, was er für modern und, wenn man den Schluß des Zitats sieht, vor allem als<br />

bezeichnend für seinen eigenen Stil hält: nicht „usé“, sondern frisch und<br />

unverbraucht, nicht vergangen, passé, sondern aktuell, nicht grisaille-grau, sondern<br />

farbig, nicht „inanimé“, sondern lebendig, nicht „froid“, sondern warm. Selbst die<br />

größten Schriftsteller des 18. Jahrhunderts erscheinen ihm im Rückblick arm an<br />

Gefühl, Gedanken und Stil. Er selbst sei aber, wie er im letzten Absatz andeutet, dafür<br />

verantwortlich, daß das 18. Jahrhundert mittlerweile so erscheine, da er als ein<br />

‚geborener Erneuerer‘ den neuen Generationen die ‚Krankheit‘ übertragen habe, an<br />

der er selbst gelitten habe. Was für eine Krankheit das sein könnte, werden wir uns<br />

noch öfter zu fragen haben, aber wichtig ist, daß sie anscheinend positiv zu verstehen<br />

ist und der neuen Literatur nach Chateaubriand die Eigenschaften zu verleihen im<br />

Stande ist, durch die sie sich von der Literatur des 18. Jahrhunderts unterscheidet.<br />

In einem Eintrag von 1822 benutzt Chateaubriand dann auch bereits das Wort,<br />

das uns interessiert, um die neue Literatur zu bezeichnen. Das, was man im Eintrag<br />

von 1821 aus der Reihe der Attribute für das 18. Jahrhundert im Umkehrschluß als<br />

Eigenschaften der neuen Literatur verstehen konnte und was Chateaubriand am<br />

Ende mit der Krankheit in Verbindung gebracht hatte, nennt er nun die „littérature<br />

romantique“:<br />

La littérature du dix-huitième siècle, à part quelques beaux génies qui la dominent, cette<br />

littérature, placée entre la littérature classique du dix-septième siècle et la littérature<br />

romantique du dix-neuvième, sans manquer de naturel, manque de nature ; nouée à des<br />

arrangements de mots, elle n’est ni assez originale comme école nouvelle, ni assez pure<br />

comme école antique. 8<br />

Das achtzehnte Jahrhundert repräsentiere also bestenfalls eine Zeit des Übergangs<br />

zwischen dem noch klassischen 17. und dem bereits modern-romantischen<br />

19. Jahrhundert. Die französische Literatur als Ganze hätte damit gewissermaßen den<br />

Streit, der im 17. Jahrhundert als Querelle des Anciens et des Modernes bezeichnet<br />

wurde, in sich aufgenommen und im Laufe von drei Jahrhunderten zugunsten der<br />

Positionen der Modernen entschieden. Sieht man sich aber die Herkunft der<br />

Kriterien an, die für Chateaubriand dieses Romantisch-Moderne ausmachen, wird<br />

7 FDC: MOT Teil 1, Buch 4, Kap. 12<br />

8 FDC: MOT I, Buch 11, Kap. 2.<br />

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