Vorlesung Romantik Text
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<strong>Vorlesung</strong> Französische <strong>Romantik</strong> WiSe 2010/2011<br />
Ayant été atteint, jeune encore, d’une maladie morale abominable, je raconte ce qui m’est<br />
arrivé pendant trois ans. Si j’étais seul malade, je n’en dirais rien; mais, comme il y en a<br />
beaucoup d’autres que moi qui souffrent du même mal, j’écris pour ceux-là, sans trop<br />
savoir s’ils y feront attention. 78<br />
Wollte man außertextuelle Argumente heranziehen, könnte man noch sagen, daß<br />
auch Mussets Confession einen autobiographischen Hintergrund erkennen läßt. Die<br />
drei Jahre, von denen der <strong>Text</strong> von 1836 spricht, lassen sich relativ genau auf die<br />
Jahre von 1833 bis 1835 beziehen, in denen der 1810 geborene Musset eine äußerst<br />
dramatische Beziehung mit der sechs Jahre älteren Aurore Dupin durchlebte. Aurore<br />
Dupin war seit 1832 unter dem Namen George Sand als Autor von zwei Romanen<br />
bekannt, Indiana und Valentine, die das Leid junger Frauen unter den Konventionen<br />
der bürgerlichen Ehe dargestellt hatten. Die Beziehung zwischen Musset und George<br />
Sand ist deshalb seit jeher ein beliebter Gegenstand der Klatschgeschichte der<br />
französischen <strong>Romantik</strong>. Mussets Leben eignet sich überhaupt sehr gut für<br />
Klischeebilder des romantisches Autors: seine ersten literarischen Erfolge erzielt er<br />
mit nicht einmal zwanzig Jahren, er fällt durch eine ununterbrochene Reihe von<br />
Affairen auf, führt ein ausschweifendes Leben mit intensivem Alkohol- und<br />
Opiumkonsum und stirbt mit 47 Jahren. In seinen Gedichten, von denen viele zu den<br />
Anthologiestücken der französischen <strong>Romantik</strong> gehören, stilisiert er sich bisweilen<br />
als einsames Dichtergenie, das seinen Liebesschmerz besingt, doch er ist auch der<br />
Verfasser von zahlreichen elegant-satirischen Gesellschaftsdramen und einer Reihe<br />
von ironischen Briefen über die <strong>Romantik</strong>, den Lettres de Dupuis et Cotonet von<br />
1836, an die Flaubert mit seinem Roman Bouvard et Pécuchet anschließen wird. Wir<br />
werden darauf noch zurückkommen, doch zunächst zur Confession:<br />
Anders als Adolphe beginnt die Confession mit einer sehr präzisen historischen<br />
Lagebeschreibung. Die „maladie morale abominable“, von der im ersten Kapitel die<br />
Rede ist, wird im berühmten zweiten Kapitel in ihrer geschichtlichen Bedingtheit<br />
vorgeführt. Es ist die Krankheit der Söhne der Soldaten Napoleons, die ihre Väter<br />
jahrelang nur als ferne Helden kannten, die exotisch klingende Gegenden der Welt<br />
eroberten, die aber selbst keine Gelegenheit mehr hatten, es den Vätern gleichzutun,<br />
weil plötzlich der gottgleiche Kaiser verschwunden war und die einzige noch<br />
mögliche Karriere im Priesterstand lag. Diese Generation war schon mit allen<br />
Anzeichen der romantischen Verfassung zur Welt gekommen:<br />
78 Alle Zitate nach der Ausgabe der Confession in: Alfred de Musset: Œuvres complètes. 2 Bde. Paris:<br />
Seuil 1963, hier Bd. 2, S. 312.<br />
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