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Vorlesung Romantik Text

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<strong>Vorlesung</strong> Französische <strong>Romantik</strong> WiSe 2010/2011<br />

<strong>Romantik</strong> zählen, und auf die sich noch Baudelaire berufen sollte. Rousseau gibt im<br />

Essai historique so etwas wie den Hausheiligen ab, mit dessen Schicksal der Autor<br />

sich identifiziert: So wie Rousseau von der Pariser Gesellschaft ausgestoßen und<br />

verfolgt worden sei, so ist der arme Exilant in seiner ärmlichen Londoner Unterkunft<br />

gleich doppelt isoliert, zum einen als von der Französischen Revolution aus<br />

Frankreich Vertriebener, zum anderen als wegen seiner Armut in die englische<br />

Gesellschaft nicht Integrierter.<br />

Rousseau ist aber nicht nur eine unmittelbare Inspiration für die beiden<br />

wichtigsten Autoren, die den Übergang von der Aufklärung zur <strong>Romantik</strong> markieren,<br />

also für Mme de Staël und Chateaubriand, sondern bei Rousseau finden sich auch<br />

einige der ersten Belege im Französischen für den Gebrauch des Wortes<br />

„romantique“ in einem modernen Sinn. Sehen wir uns also die Entwicklung des<br />

Begriffs näher an:<br />

Zur Wortgeschichte<br />

Der heutige, umgangssprachliche Gebrauch des Wortes hat mit der Bedeutung, die<br />

der Begriff im 18. Jahrhundert noch hatte, praktisch nichts mehr gemeinsam. Wenn<br />

man von einem romantischen Abendessen in einem <strong>Romantik</strong>hotel spricht – um nur<br />

ein besonders blödes Beispiel zu bringen – denkt man auch als<br />

literaturwissenschaftlich vorbelasteter Mensch nicht mehr an den Ursprung des<br />

Wortes. Wichtig ist außerdem, daß das Adjektiv „romantique“, ebenso wie die<br />

deutschen und englischen Entsprechungen, schon lange vor der ab 1800<br />

einsetzenden Strömung belegt ist, die schon von den Zeitgenossen als „romantisme“,<br />

„romanticism“, „romanticismo“ oder eben „<strong>Romantik</strong>“ bezeichnet worden ist:<br />

„romantique“ ist also nicht, genauso wenig wie die entsprechenden Adjektive in den<br />

anderen Sprachen, ein von „<strong>Romantik</strong>“ abgeleitetes Adjektiv, sondern das Adjektiv<br />

hat im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts eine erhebliche Bedeutungserweiterung<br />

mitgemacht, bis es dann in der Jenaer Frühromantik zur Selbstbeschreibung der<br />

ästhetischen Anliegen der Gruppe um die Brüder Schlegel wurde. Von da aus wird<br />

das Wort, u. a. von Mme de Staël, mit der neuen Bedeutung in die französische<br />

Debatte eingebracht. Erst um 1830 gibt es dann im Streit um Hugos Theaterstück<br />

Hernani eine Gruppe von französischen Autoren, vor allem Théophile Gautier und<br />

Gérard de Nerval, die sich selbst als „romantiques“ bezeichnen. Hans Eichner hat<br />

Anfang der 1970er Jahre unter dem Titel ‚Romantic‘ and its Cognates. The European<br />

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