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Quellenarbeit als lebenslanges und neues Lernen - Deutschland ...

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entmythologisiert; denn in sie steigt jemand in der Regel nicht auf, sondern man wird<br />

in sie hineingeboren, sofern der familiäre Geburtsschein dazu prädestiniert. 35<br />

Harry Friebel, Heinrich Epskamp u.a. haben in einer an der Hamburger Hochschule<br />

für Wirtschaft <strong>und</strong> Politik entstandenen Längsschnittstudie belegt, dass nicht Bildung<br />

<strong>und</strong> Ausbildung den Lebensweg bestimmen, sondern die soziale Schicht <strong>und</strong><br />

Herkunft. Schon in einem ersten Zwischenfazit hatten die Autoren festgestellt:<br />

"Weder hat eine Bildungsreform stattgef<strong>und</strong>en, die die Formel 'Chancengleichheit<br />

durch Bildung' verdient, noch ist das Bildungssystem 'autonom', um eine solche<br />

Formel realisieren zu können." Als Ergebnisse ihrer 18jährigen Forschungsarbeit<br />

formulieren sie zugespitzt: "'Chancengleichheit durch Bildung' ist eine ebenso<br />

unverschämte Stilisierung der Bildungsexpansion wie die Formel 'Bildung schafft<br />

Arbeit'. Es sind zugleich zwei ideologische Aussagen, die Bildung<br />

instrumentalisieren. Mit unserer Untersuchung haben wir Einblicke gewinnen können,<br />

wie Bildung soziale Ungleichheit <strong>und</strong> Geschlechterhierarchisierung bestätigt." 36 Und<br />

die PISA-Studien lassen keinen Zweifel daran, dass das deutsche Bildungswesen in<br />

allen international vergleichbaren Ländern sozial Schwache am stärksten<br />

benachteiligt. Die im Gr<strong>und</strong>gesetz verbürgte <strong>und</strong> vor allem seit 1969 vehement<br />

geforderte Chancengleichheit gilt nur in der Verfassungstheorie, aber nicht in der<br />

Verfassungswirklichkeit.<br />

Das deutsche Bildungswesen gehört weltweit zu den ungerechtesten. Nach der<br />

Geburt, in den ersten entscheidenden sechs Lebensjahren, überlässt der Staat die<br />

Kinder ihrem Schicksal - Eltern, Kirchen, Fernseher, Videos, Spielen. Statt familiäre<br />

<strong>und</strong> soziale Benachteiligungen auszugleichen oder wenigstens zu mildern, lässt er<br />

ihre Fähigkeiten <strong>und</strong> Begabungen oft verkümmern, während die durch ihre Umwelt<br />

ohnehin begünstigten <strong>und</strong> gut situierten Kinder ihren in der Regel nicht mehr<br />

einholbaren Vorsprung in ihrer psychosozialen <strong>und</strong> geistigen Entwicklung auf- <strong>und</strong><br />

ausbauen können.<br />

Nach der gemeinsamen Gr<strong>und</strong>schule, mit zehn Jahren, werden die Schüler/innen -<br />

auch oft nach familiären sozialen Kriterien - aussortiert. Während Kindergartenplätze<br />

fehlten <strong>und</strong> Geld kosteten, konnten die ohnehin durch Abitur <strong>und</strong> Familie<br />

Privilegierten bislang kostenlos studieren. Die familiär, sozial <strong>und</strong> psychisch<br />

Benachteiligten blieben so benachteiligt, wie ihnen vorherbestimmt war.<br />

Das deutsche Bildungswesen ist nicht nur ungerecht, es ist auch ineffizient. Nach<br />

den Zahlen aus dem Jahre 2001 bricht fast jeder Sechste Schule, Ausbildung oder<br />

35 Michael Hartmann: Der Mythos von den Leistungseliten. Spitzenkarrieren <strong>und</strong> soziale Herkunft in<br />

Wirtschaft, Politik, Justiz <strong>und</strong> Wissenschaft. Frankfurt a. M. u.a. 2002.<br />

36 Harry Friebel/Heinrich Epskamp/Brigitte Knobloch/Stefanie Montag/Stephan Toth:<br />

Bildungsbeteiligung: Chancen <strong>und</strong> Risiken. Eine Längsschnittstudie über Bildungs- <strong>und</strong><br />

Weiterbildungskarrieren in der "Moderne". Opladen 2000. Seiten 13, 404. Zur<br />

Bildungsreformdiskussion <strong>und</strong> Bildungsexpansion Seiten 15ff., 104ff., 408ff.<br />

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