Quellenarbeit als lebenslanges und neues Lernen - Deutschland ...
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ursprünglich auf den Historiker Johann Gustav Droysen (1808 - 1884) zurückgehen, 53<br />
lassen sich Überrest- <strong>und</strong> Traditionsquellen oft nicht strikt trennen. Ein Grabstein mit<br />
Inschriften z.B. ist für die Nachkommen des/r Toten eine Traditionsquelle, für spätere<br />
Generationen ein Relikt oder Überrest.<br />
Neu ist der Gedanke, dass Quellen die Vergangenheit spiegeln. Idealtypisch ist dies<br />
"objektiv" der Fall nur dann, wenn Quelle <strong>und</strong> Ereignis zusammenfallen<br />
(koinzidieren). Ein solcher "reiner" Spiegel ist aber eine Ausnahme. In der Regel<br />
stimmen Quelle <strong>und</strong> Ereignis zeitlich nicht überein, sondern weichen voneinander ab.<br />
Je größer die zeitliche Identität von Ereignis <strong>und</strong> Quelle (Koinzidenz), um so<br />
"objektiver" <strong>und</strong> authentischer ist sie.<br />
Inhaltliche Authentizität heißt: Die Quelle ist echt, verbürgt, zuverlässig, vollständig,<br />
sie spiegelt "objektiv" <strong>und</strong> spiegelt nichts vor - sie ist nicht fingiert, verfälscht,<br />
manipuliert, verkürzt. Dies bedeutet nicht, dass die Quelle unparteiisch ist, <strong>und</strong> dies<br />
sagt auch nichts über ihren Wahrheitsgehalt aus. Auch eine Propagandarede ist<br />
"objektiv" <strong>und</strong> authentisch, wenn sie verbürgt <strong>und</strong> so gehalten worden ist, wie sie<br />
vorliegt. Solche "Traditionsquellen" sind allerdings kritisch zu betrachten, da ihre<br />
Verfasser/innen - anders <strong>als</strong> bei "Überresten" - bestimmte Absichten (Intentionen)<br />
verfolgen. Sie legen sie häufig nicht offen oder vertreten bestimmte Ideen, Lehren,<br />
Meinungen u. a., die sie Zuhörern/innen, Lesern/innen oder der Nachwelt vermitteln<br />
wollen. Zur <strong>Quellenarbeit</strong> <strong>und</strong> insbesondere zur Quellenkritik gehört es zu prüfen, ob<br />
stichhaltig ist, was die Quelle spiegelt oder vorspiegelt. Nicht umsonst spricht man<br />
von einer Vorspiegelung f<strong>als</strong>cher Tatsachen.<br />
Neben der inhaltlichen Authentizität gibt es auch eine sinnliche Authentizität, die das<br />
Original oder ersatzweise das Faksimile der Quelle vermittelt. Anders <strong>als</strong> eine<br />
mittelalterliche Handschrift oder Urk<strong>und</strong>e hinterlässt jedoch die faksimilierte<br />
Wiedergabe einer zeitgeschichtlichen gedruckten Quelle in der Regel keinen visuellsinnlichen<br />
Eindruck ihrer Echtheit <strong>und</strong> Überlieferung. Auch ermöglicht sie keine<br />
Volltextsuche, die eine Digitalisierung voraussetzt.<br />
53 Johann Gustav Droysen: Historik. Vorlesungen über Enzyklopädie <strong>und</strong> Methodologie der<br />
Geschichte. Herausgegeben von Rudolf Hübner. 4. Auflage Darmstadt 1960. Seiten 37ff. teilte<br />
Quellen nach ihrem Aussagewert ein 1. nach Überresten (Seiten 38ff.), die unbeabsichtigt für die<br />
Nachwelt "übriggeblieben" sind; 2. nach Quellen im engeren Sinne (Seiten 61ff.), die bewusst zum<br />
Zwecke der Erinnerung überliefert sind; 3. nach Denkmälern (Seiten 50ff.), die zwischen Überresten<br />
<strong>und</strong> Quellen stehen <strong>und</strong> "monumentalen Charakters" sind. Zur Quellenkritik Seiten 131ff. Ernst<br />
Bernheim: Lehrbuch der Historischen Methode <strong>und</strong> der Geschichtsphilosophie. 3. <strong>und</strong> 4. Auflage<br />
Leipzig 1903 (1. Auflage 1889). Seiten 230ff. unterschied nur noch zwei Gruppen: 1. Überreste<br />
("unmittelbar von den Begebenheiten übriggeblieben <strong>und</strong> vorhanden"); 2. Tradition ("was unmittelbar<br />
von den Begebenheiten überliefert ist, hindurchgegangen <strong>und</strong> wiedergegeben durch menschliche<br />
Auffassung"). Diese Einteilung wurde von Gustav Wolf: Einführung in das Studium der neueren<br />
Geschichte. Berlin 1910. Seiten 17ff. übernommen <strong>und</strong> gilt noch heute <strong>als</strong> Standard.<br />
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