Quellenarbeit als lebenslanges und neues Lernen - Deutschland ...

"eingefleischtes" Verhalten in Frage zu stellen. Für viele bedeutet dies, wie Thomas
Ziehe mit Recht betont hat (1.5.), "Herrschaft" zum eigenen Nachteil abzubauen, sich
selbst zu entmachten und auf narzisstische Gratifikationen zu verzichten. Dies gilt
vor allem für Lehrende mit schwachem Selbstwertgefühl. Es geht oft mit
Unsicherheitsgefühlen einher, sagt aber nichts über die tatsächlichen fachlichen oder
pädagogischen Qualifikationen aus.
Sich zu verändern, fällt auch "autoritären" Lehrerinnen und Lehrern sehr schwer. Sie
sind vorwiegend zwanghaft strukturiert, weniger narzisstisch besetzt. Oft in
patriarchalischen oder matriarchalischen Familien aufgewachsen, übertragen
(projizieren) sie das Sagen, das ein Elternteil hatte, auf das Klassenzimmer. Sie
wittern dann hinter Unordnung, Unruhe, Gelächter oder Unregelmäßigkeiten einen
Machtkampf, den sie gegen die oder einzelne Schüler/innen unbedingt gewinnen
"müssen", um das drohende "Chaos" zu bändigen und so ihrem Autoritätsverlust
vorzubeugen.
Computer sind Hilfsmittel und Werkzeuge für neues und effizientes Lernen, aber kein
Allheilmittel. Sie können Lehrende ebenso wenig ersetzen, wie der von
Skinner/Watson in den 60er Jahren vertretene Behaviorismus, der erstrebte, sie
letzten Endes durch Operantes Konditionieren und Programmierten Unterricht
überflüssig zu machen. Computer Based Training (CBT) als offline- und Web Based
Training (WBT) als online-Angebote können Lehrende entlasten und unterstützen
und den Lernenden helfen, weitgehend selbstbestimmt statt fremdbestimmt zu lernen
- mehr nicht.
Wenn Computer Arbeitsinstrumente und Hilfsmittel sind, dann haben sie keinen
Selbstzweck und keine Funktionen als Stimulantien oder Beruhigungsmittel. Schon
heute gibt es, vor allem unter Jugendlichen, Computer- und Internet-Freaks als
scheinbare Alleskönnner - aber die deutsche Rechtschreibung und Zeichensetzung
beherrschen sie nur bedingt, und leseschwach sind obendrein. Etwa 3% aller
deutschen Onliner zwischen 14 und 59 Jahren gelten als webabhängig. Sie
reagieren mit Nervosität, Gereiztheit oder sogar depressiven Verstimmungen, wenn
sie nicht - oft bis in die Nacht hinein und bis zur Erschöpfung - surfen, spielen und
chatten können. 78 Dass sie im Netz virtuelle Anerkennung und ihnen fehlende
Kontakte suchen, deutet auf narzisstische Dysfunktionen und ein inkohärentes Selbst
hin (1.4.). Die "Droge Internet" ist auch deshalb ein "ideales" heimliches Suchtmittel,
weil es innerhalb der geschützten eigenen vier Wände grenzenlos, ständig verfügbar
und nicht zuletzt auch finanzierbar ist.
78 Droge Internet. In: Focus Nr. 27 vom 30. Juni 2003. Seiten 86 - 88.
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