Familienuntersuchung zum Gilles de la Tourette-Syndrom (pdf)
Familienuntersuchung zum Gilles de la Tourette-Syndrom (pdf)
Familienuntersuchung zum Gilles de la Tourette-Syndrom (pdf)
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Einleitung<br />
Der von Itard verfasste Bericht fand <strong>la</strong>nge Zeit kaum Beachtung. 1885 griff Georges <strong>Gilles</strong> <strong>de</strong> <strong>la</strong><br />
<strong>Tourette</strong>, ein an <strong>de</strong>r "Salpêtrière" in Paris tätiger Neurologe, obigen Fallbericht wie<strong>de</strong>r auf und<br />
ergänzte diesen um acht ähnliche Fallbeschreibungen. Durch Vergleich seiner eigenen und <strong>de</strong>n<br />
von Itard gemachten Beobachtungen mit <strong>de</strong>nen an<strong>de</strong>rer Autoren, ge<strong>la</strong>ng es ihm letztendlich, ein<br />
neues Krankheitsbild zu konstituieren, welchem er <strong>de</strong>n Namen "Ma<strong>la</strong>die <strong>de</strong>s tics" gab.<br />
Als charakteristische Symptome dieses <strong>Syndrom</strong>s, das später nach ihm benannt wur<strong>de</strong>,<br />
beschreibt er ein konvulsivisches Zucken, ein unfreiwilliges Imitieren von mehr o<strong>de</strong>r weniger<br />
komplexen Lautäußerungen (Echo<strong>la</strong>lie) o<strong>de</strong>r Handlungen (Echopraxie) sowie ein zwanghaftes<br />
Ausstoßen von Flüchen o<strong>de</strong>r Obszönitäten (Kopro<strong>la</strong>lie). Viele Beobachtungen und<br />
Erkenntnisse, die <strong>Gilles</strong> <strong>de</strong> <strong>la</strong> <strong>Tourette</strong> <strong>de</strong>tailliert und umfangreich in seiner Orgina<strong>la</strong>rbeit<br />
dargelegt hat, haben bis <strong>zum</strong> heutigen Tage Gültigkeit (GILLES DE LA TOURETTE, 1885).<br />
So fiel <strong>de</strong>m Neurologen schon damals auf, dass keiner seiner Patienten i<strong>de</strong>ntische Symptome<br />
zeigte, und die meisten Betroffenen zu<strong>de</strong>m ähnlich ge<strong>la</strong>gerte Fälle in ihrem Verwandtenkreis<br />
aufwiesen. Der ursächliche Hintergrund <strong>de</strong>r Störung sowie ihre Beziehung zu an<strong>de</strong>ren<br />
Ticstörungen von weniger ausgeprägtem Schweregrad sind jedoch bis heute unk<strong>la</strong>r geblieben.<br />
<strong>Gilles</strong> <strong>de</strong> <strong>la</strong> <strong>Tourette</strong> selbst sah die Störung als hereditär an, wobei jedoch angemerkt sei, dass<br />
die von Men<strong>de</strong>l (MENDEL, 1866) postulierten Vererbungsregeln zur damaligen Zeit noch keine<br />
Beachtung gefun<strong>de</strong>n hatten. Die allgemein verbreiteten Konzepte <strong>de</strong>r Heredität um 1885 waren<br />
noch recht einfach und können nicht mit <strong>de</strong>n heutigen Begriffen verglichen wer<strong>de</strong>n. Eine<br />
anschauliche Darstellung über die bis in das 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt hinein vorherrschen<strong>de</strong>n<br />
"genetischen Vorstellungen" fin<strong>de</strong>t sich in <strong>de</strong>n Werken Johann Gottfried Her<strong>de</strong>rs (HERDER,<br />
1989). Aus <strong>de</strong>m Kapitel " Die genetische Kraft ist die Mutter aller Bildungen auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r<br />
das Klima feindlich o<strong>de</strong>r freundlich nur zuwirket" sei hierzu folgen<strong>de</strong>s zitiert:<br />
...............Jahrhun<strong>de</strong>rte <strong>la</strong>ng haben Nationen ihre Köpfe geformt, ihre Nasen durchbohrt, ihre<br />
Füße gezwungen, ihre Ohren verlängert; die Natur blieb auf ihrem Wege und wenn sie eine<br />
Zeit<strong>la</strong>ng folgen, wenn sie <strong>de</strong>n verzerreten Glie<strong>de</strong>rn Säfte zuführen musste, wohin sie nicht<br />
wollte; so bald sie konnte, ging sie ins Freie wie<strong>de</strong>r und vollen<strong>de</strong>te ihren vollkommenen Typus.<br />
Ganz an<strong>de</strong>rs, sobald die Missbildung genetisch war und auf Wegen <strong>de</strong>r Natur wirkte; hier<br />
vererbten sich Missbildungen, selbst an einzelnen Glie<strong>de</strong>rn. Sage man nicht, dass Kunst o<strong>de</strong>r<br />
die Sonne <strong>de</strong>s Negers Nase gep<strong>la</strong>ttet habe.<br />
Eben daher gehet die Negergestalt auch erblich über und kann nur genetisch zurückverän<strong>de</strong>rt<br />
wer<strong>de</strong>n. Setzet <strong>de</strong>n Mohren nach Europa; er bleibt, was er ist: verheiratet ihn aber mit einer<br />
Weißen und eine Generation wird verän<strong>de</strong>rn, was Jahrhun<strong>de</strong>rte hindurch das bleichen<strong>de</strong><br />
Klima nicht wür<strong>de</strong> getan haben............<br />
3