Familienuntersuchung zum Gilles de la Tourette-Syndrom (pdf)
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Aktueller Forschungsstand<br />
2.8.5.1 Definition <strong>de</strong>s Phänotyps<br />
Für das <strong>Tourette</strong>-<strong>Syndrom</strong> gibt es hinsichtlich <strong>de</strong>r Festlegung eines vali<strong>de</strong>n Phänotyps<br />
bis <strong>zum</strong> heutigen Tage keinen einheitlichen Konsens. Greift man auf ältere Untersuchungen zur<br />
familiären Häufigkeit von Ticstörungen zurück, so fin<strong>de</strong>t man vorrangig chronisch multiple Tics<br />
(unk<strong>la</strong>rer Definition) und das <strong>Tourette</strong>-<strong>Syndrom</strong> berücksichtigt. Über genetische Merkmale bei<br />
einfachen und kurzdauern<strong>de</strong>n Tics <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>salters existieren bis<strong>la</strong>ng keine kontrollierten<br />
Ergebnisse. Die meisten damaligen Untersucher folgten damit <strong>de</strong>r Annahme von <strong>Gilles</strong> <strong>de</strong> <strong>la</strong><br />
<strong>Tourette</strong>, dass chronisch multiple Tics eine mil<strong>de</strong>re Ausdrucksform <strong>de</strong>s gleichen ätiologischen<br />
Faktors seien, <strong>de</strong>r das Vollbild eines <strong>Tourette</strong> <strong>Syndrom</strong>s ausmache (ELDRIDGE, 1977; KIDD,<br />
1980). Chronische Ticstörungen wer<strong>de</strong>n auch gegenwärtig, belegt durch empirische<br />
Untersuchungen (PAULS et al., 1981, 1984, 1991), <strong>de</strong>m <strong>Tourette</strong>-Spektrum zugeordnet. Nach<br />
DSM III-R und <strong>de</strong>n <strong>de</strong>rzeit gültigen K<strong>la</strong>ssifikationskriterien <strong>de</strong>s DSM IV umfasst diese<br />
Diagnose allerdings nicht nur multiple, son<strong>de</strong>rn auch einzelne chronische motorische o<strong>de</strong>r<br />
vokale Tics. Weiterhin keine Berücksichtigung fin<strong>de</strong>n transiente Tics. Darüber hinaus lässt die<br />
jüngere Literatur aber auch solche Tics unerwähnt, die auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n aktueller<br />
K<strong>la</strong>ssifikationsschemata <strong>de</strong>r Gruppe <strong>de</strong>r Nicht Näher bezeichneten Ticstörungen zuzurechnen<br />
sind.<br />
Neuere Segregationsanalysen schließen neben chronischen Ticstörungen auch Zwangsstörungen<br />
und in jüngster Zeit auch subklinische Zwangsphänomene im Sinne einer variablen<br />
Expressivität <strong>de</strong>s postulierten Genotyps mit ein (PAULS et al., 1991; EAPEN et al., 1993;VAN<br />
DE WETERING et al., 1993; WALKUP et al., 1996). Diese zusätzliche Erweiterung <strong>de</strong>s<br />
Phänotyps fin<strong>de</strong>t ihre Begründung in Berichten über eine erhöhte Inzi<strong>de</strong>nz von<br />
Zwangsstörungen bei <strong>Tourette</strong>-In<strong>de</strong>xpatienten als auch <strong>de</strong>ren Angehörigen (STEFL, 1984;<br />
FRANKEL et al., 1986; GREEN & PITMAN, 1986; ROBERTSON et al., 1988) wie<br />
umgekehrt von Ticstörungen bei Patienten mit einer Zwangsstörung und <strong>de</strong>ren Angehörigen<br />
(LEONARD et al., 1992; PAULS et al., 1995).<br />
Eine kritische Metaanalyse, durchgeführt von SHAPIRO & SHAPIRO (1992) erbrachte<br />
allerdings keinen Beweis für eine Assoziation <strong>de</strong>s <strong>Tourette</strong>-<strong>Syndrom</strong>s mit Zwangsstörungen.<br />
Nach Auffassung <strong>de</strong>r Autoren begrün<strong>de</strong>n sich die positiven Ergebnisse früherer Studien in einer<br />
mangelhaften Abgrenzung bei<strong>de</strong>r Störungen: "....Unwillkürliche Tics, insbeson<strong>de</strong>re komplexe<br />
motorische Tics, komplexe vokale Tics und Echophänomene wer<strong>de</strong>n häufig als<br />
Zwangshandlungen bewertet. Somit wird <strong>de</strong>r Prozentsatz an assoziierten Zwangsstörungen unter<br />
Patienten mit <strong>Tourette</strong>-<strong>Syndrom</strong> stark erhöht und ein Zusammenhang bei<strong>de</strong>r Störungen<br />
hergestellt und bestätigt..."<br />
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