Familienuntersuchung zum Gilles de la Tourette-Syndrom (pdf)
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Einleitung<br />
1. Einleitung<br />
..........und da geschah es, dass <strong>de</strong>r Mann vor mir mit ungleichen Beinen die Stufen <strong>de</strong>s<br />
Gangsteigs hinunterhüpfte in <strong>de</strong>r Art etwa, wie Kin<strong>de</strong>r manchmal während <strong>de</strong>s Gehens<br />
aufhüpfen o<strong>de</strong>r springen, wenn sie sich freuen. Auf <strong>de</strong>n jenseitigen Gehsteig kam er einfach mit<br />
einem <strong>la</strong>ngen Schritt hinauf. Aber kaum war er oben, zog er das Bein ein wenig an und hüpfte<br />
auf <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren einmal hoch und gleich darauf wie<strong>de</strong>r und wie<strong>de</strong>r...............<br />
"Die Aufzeichnungen <strong>de</strong>s Malte Laurids Brigge"<br />
(Rainer Maria Rilke, 1910)<br />
Bis heute unzureichend bekannt fin<strong>de</strong>n sich Beschreibungen über das <strong>Gilles</strong> <strong>de</strong> <strong>la</strong> <strong>Tourette</strong>-<br />
<strong>Syndrom</strong> in fast allen geschichtlichen Epochen. Bereits <strong>de</strong>r griechische Gelehrte, Arzt und<br />
Hippokrates-Schüler Aretios von Kappadokien beschrieb vor etwa 2000 Jahren Fälle von<br />
Zuckungen, Grimassenschnei<strong>de</strong>n, Gebell, plötzlichen Flüchen und unvermittelten b<strong>la</strong>sphemischen<br />
Äußerungen, für die er keine befriedigen<strong>de</strong> wissenschaftliche Erklärung fand. Er<br />
machte <strong>de</strong>n "Einfluß <strong>de</strong>r Götter" für diese Verhaltensauffälligkeiten verantwortlich.<br />
Auch in <strong>de</strong>n nächsten Jahrhun<strong>de</strong>rten tauchten immer wie<strong>de</strong>r vergleichbare Falldarstellungen auf.<br />
So weiß beispielsweise <strong>de</strong>r römische Biograph und Geschichtsschreiber Svetonius über <strong>de</strong>n<br />
römischen Imperator und Son<strong>de</strong>rling C<strong>la</strong>udius folgen<strong>de</strong>s zu berichten:<br />
"...........durch das Spiel o<strong>de</strong>r ernsthafte Geschäfte erregt, hatte er einige unangenehme<br />
Merkmale aufzuweisen. Es han<strong>de</strong>lte sich dabei um unkontrolliertes Lachen, Speichelfluß im<br />
Bereich <strong>de</strong>s Mun<strong>de</strong>s, eine "<strong>la</strong>ufen<strong>de</strong>" Nase, Stammeln und anhalten<strong>de</strong> nervöse Zuckungen.<br />
Diese nahmen unter emotionaler Be<strong>la</strong>stung so stark zu, dass sein Kopf von einer Seite zur<br />
an<strong>de</strong>ren flog."<br />
Neben solchen und ähnlichen, meist sehr kurzen und wenig aussagekräftigen Erwähnungen<br />
liefert die Geschichtsschreibung jedoch kaum Informationen über <strong>de</strong>n Umgang mit <strong>Tourette</strong>-<br />
Kranken in vergangenen Zeiten. Dass die rätselhafte Erkrankung für viele Betroffene nicht nur<br />
sehr beeinträchtigend, son<strong>de</strong>rn durch Unwissenheit und Volksaberg<strong>la</strong>ube bedingt, insbeson<strong>de</strong>re<br />
zu Zeiten <strong>de</strong>s Mitte<strong>la</strong>lters sogar lebensgefährliche Konsequenzen haben konnte, macht <strong>de</strong>r<br />
"Hexenhammer", eine von <strong>de</strong>n dominikanischen Inquisitoren H. Institorius und J. Sprenger<br />
verfaßte Schriftensammlung über und gegen das Hexenwesen <strong>de</strong>utlich.<br />
In <strong>de</strong>m Kapitel "Über die Art, wie die Dämonen bisweilen durch Hexenkünste die Menschen<br />
leibhaftig besitzen" wird u. a. ein Priester beschrieben, <strong>de</strong>r angab, <strong>de</strong>r Teufel habe von seinen<br />
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