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Familienuntersuchung zum Gilles de la Tourette-Syndrom (pdf)

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Aktueller Forschungsstand<br />

2.8 Vorstellungen zur Pathogenese<br />

Trotz vielfältiger Hypothesen und Erklärungsansätze sind die pathogenetischen<br />

Mechanismen <strong>de</strong>s <strong>Tourette</strong>-<strong>Syndrom</strong>s auch heutzutage noch weitgehend unk<strong>la</strong>r. Gegenwärtige<br />

pathogenetische Mo<strong>de</strong>lle basieren auf verschie<strong>de</strong>nen biochemischen, bildgeben<strong>de</strong>n, neurophysiologischen<br />

und genetischen Studien. Sie gehen von einer vererbten Entwicklungsstörung<br />

<strong>de</strong>r synaptischen Neuronenübertragung aus, <strong>de</strong>ren Folge eine Enthemmung <strong>de</strong>s kortiko-striataltha<strong>la</strong>misch-kortikalen<br />

Regelkreises ist (LECKMAN et al., 2001). Zusätzlich sollen epigenetische<br />

und umweltbedingte Faktoren - möglicherweise bereits pränatal - die Manifestation <strong>de</strong>r<br />

Erkrankung beeinflussen (COHEN et al., 1992; LECKMAN et al., 1992).<br />

2.8.1 Rückblick: Psychoanalytische und lerntheoretische Konzepte<br />

Schaut man zurück auf das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts, fin<strong>de</strong>t man das <strong>Tourette</strong>-<br />

<strong>Syndrom</strong> im Kontext von Hysterie und Chorea: Als ätiologischer Hintergrund <strong>de</strong>r Störung<br />

wur<strong>de</strong> zur damaligen Zeit eine seelische Instabilität bzw. eine neuropathische Heredität<br />

angenommen. Die nachfolgen<strong>de</strong>n Jahre prägten fast ausschließlich psychoanalytische Theorien<br />

und lern-theoretische Erklärungsmo<strong>de</strong>lle.<br />

Wie schon TURPIN (1983) in seinem Aufsatz schreibt, wur<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>ne psychologische<br />

Mo<strong>de</strong>lle für die Genese wie auch das Beibehalten von Tics aufgestellt. Tics wur<strong>de</strong>n als Reaktion<br />

auf frühkindlichen Objektverlust, als Versuch <strong>de</strong>r Spannungsabfuhr, als phänotypisches<br />

Korre<strong>la</strong>t unterdrückter Aggressivität, als Kontrollversuch gegenüber überstarken Triebten<strong>de</strong>nzen<br />

o<strong>de</strong>r als prägenitale Konversion interpretiert (FREUD, 1892; MAHLER, 1944). Sie sollen zu<br />

einer Zeit auftreten, zu <strong>de</strong>r das Kind einen wesentlichen Kampf mit seiner Ich-Entwicklung<br />

auszufechten habe und so Schwierigkeiten entwickle, seine Affekte kontrolliert auszudrücken.<br />

Bevorzugt intelligente Kin<strong>de</strong>r und solche mit einer beson<strong>de</strong>ren Stellung innerhalb <strong>de</strong>r<br />

Familienkonstel<strong>la</strong>tion sollen von dieser Erkrankung häufiger betroffen sein.<br />

Lerntheoretiker wie YATES (1958) haben gemeint, dass Tics als Ergebnis einer konditionierten<br />

Vermeidungsantwort aufträten, die durch eine beson<strong>de</strong>re Be<strong>la</strong>stung hervorgerufen sei und sich<br />

dann durch eine mit ihr verbun<strong>de</strong>ne Angstreduktion verstärke. Eine Generalisierung <strong>de</strong>s<br />

anfänglichen Stimulus führe dann <strong>zum</strong> Auftreten <strong>de</strong>r Angst in an<strong>de</strong>ren Situationen und <strong>de</strong>r Tic<br />

wer<strong>de</strong> zu einer zunehmend starken Gewohnheit. Ein k<strong>la</strong>ssischer konditionierter Abwehrreflex,<br />

hervorgerufen durch eine Konjunktivitis, aber später verbun<strong>de</strong>n mit elterlichen Reaktionen o<strong>de</strong>r<br />

subjektiven Stimuli, wer<strong>de</strong>n hier als Beispiel angeführt. Schwer erklären ließe sich allerdings die<br />

Tatsache, dass <strong>de</strong>r Tic nicht verschwin<strong>de</strong>, wenn <strong>de</strong>r ursprüngliche unkonditionierte Stimulus, die<br />

Konjunktivitis, nicht mehr vorhan<strong>de</strong>n sei (TURPIN, 1983). Operante Mo<strong>de</strong>lle gingen davon aus,<br />

dass Tics entwe<strong>de</strong>r als ein Resultat eines traumatischen Ereignisses o<strong>de</strong>r als eine normale, aber<br />

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