125 JahreSektion Gera (6,86 MB)
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Technische Raffi nessen –<br />
die Mönch-Ostwand<br />
„Total verrückt“,<br />
stieß Jurek, der<br />
polnische Betreu-<br />
er, hervor und lief in die Hütte, um dieses<br />
Schauspiel nicht mehr mit ansehen zu<br />
müssen. Es schien auch Irrsinn, was dort<br />
oben in der Mönch-Ostwand geschah,<br />
als der vierte Mann, nämlich Manfred,<br />
plötzlich eine halbe Stunde vor dem<br />
Dunkelwerden sich anschickte, noch<br />
nachzukommen. Immer wieder, wenn<br />
die Wolken den Mönch für kurze Zeit<br />
freigaben, wurden die Ferngläser, selbst<br />
das alte Panzerglas, das jetzt friedliche<br />
Dienste leistete, geholt, und es zeigte sich<br />
immer wieder dasselbe Bild:<br />
Unendlich langsam bewegte sich dort<br />
ein schwarzer Punkt vorwärts, bis dann<br />
ein zweiter und ein dritter folgte. Dann<br />
sahen die Beobachter folgendes Bild ca.<br />
zwei Stunden lang: Einmal der blaue<br />
Anorak (es war Günter – genannt Caramello)<br />
allein, etwas höher, dann Sigi<br />
dicht darunter im schwarzen Anorak,<br />
dann Sigi etwas höher, bis er wieder<br />
zurückkam. Da stand für alle fest, sie<br />
seilen ab.<br />
Und nun plötzlich Gerhard, der in die<br />
Hütte gelaufen kam mit der Verkündigung:<br />
„Der vierte Mann kommt nach!“<br />
Was war nun los da oben?<br />
Am 2. Juli 1962 um 4.30 Uhr hatten wir<br />
auf Umwegen, und zwar durch den<br />
Keller, die Hütte verlassen und standen<br />
nun unter der 400 m hohen Mönch-Ostwand.<br />
Ein seltsames Gefühl war es doch,<br />
welches wir mit der Frühstücksschnitte<br />
vertreiben wollten, mit einer unvollständigen<br />
Wegbeschreibung in der Tasche<br />
vor einer der schwersten Wände der polnischen<br />
Tatra zu stehen. Doch wer kann<br />
lange frühstücken, wenn die Hände anpacken<br />
wollen. „Almauftrieb“ nannten<br />
wir den ersten Akt, da sich das Klingeln<br />
122<br />
Günter Heil<br />
Siegfried Weippert<br />
der Haken und Karabiner als akustisches<br />
Mittel erwies, um im Nebel die Positionen<br />
der einzelnen festzustellen. Keine<br />
leichte Kletterei waren die ersten fünf<br />
Seillängen, wo wir nur Bruch und Gras<br />
vorfanden, bis dann der kompakte Fels<br />
kam. Dafür ging es umso schöner weiter,<br />
nachdem wir die unzweifelhafte „Kulisse“<br />
und dahinter einen Haken gefunden<br />
hatten, die den richtigen Weg wiesen.<br />
Tief unten sahen wir zum ersten Mal<br />
das Morskie Oko, und links fi el der Blick<br />
ungehemmt bis zur Mönchrinne, deren<br />
Schneefelder wir heute früh überquert<br />
hatten. Etwa in Schwierigkeitsstufe IV<br />
folgten wir einigen von Bändern unterbrochenen<br />
Rissen, und nur die glatte<br />
Verschneidung unter dem breiten Grasband<br />
im oberen Drittel der Wand gab<br />
eine kleine Nuss zu knacken.<br />
Ehrfürchtig sahen wir sie nun, die glatte,<br />
von einem gewaltigen Überhang überdachte<br />
Platte, die Schlüsselstelle. Das<br />
musste auch das große „M“ sein, welches<br />
wie von einem Riesensteinmetzen in<br />
den Fels eingehauen schien und unsere<br />
Blicke wie ein Magnet immer wieder<br />
angezogen hatte. Günter stieg nach der<br />
Wegbeschreibung los und notierte einen<br />
Verhauer. Ein Quergang nach rechts<br />
führte uns dann in die richtige Nische,<br />
aber es dauerte trotzdem fast zwei<br />
Stunden, bis wir Günter aus der Bergnot<br />
befreit hatten. Aber der Kampf begann<br />
erst. Als erstes kam eine Baustelle, ohne<br />
die eine gerade gefundene Schlinge nicht<br />
eingefädelt werden konnte. Dann zwei<br />
schwere Durchzüge und die erste Trittschlinge<br />
hing in einem Querrisshaken.<br />
Doch dann leuchtete erst wieder weit,