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125 JahreSektion Gera (6,86 MB)

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Es schien schon Abseilstimmung aufzukommen.<br />

Aber keiner wollte es wahrhaben,<br />

und auf Günters Worte hin hing<br />

dann Sigi oben. Zwei Hammerschläge<br />

und der vermeintliche Haken war heraus.<br />

Alle sperrten Mund und Augen<br />

auf. Es war ein eingekerbtes Stück Eisen,<br />

dessen Öse so sinnvoll angebracht<br />

war, dass es sich bei der Belastung ganz<br />

nach innen in der Verschneidung verklemmte.<br />

Waghalsig und genial! Drei<br />

Einhängeversuche an der Sturzgrenze<br />

und der fehlende Haken war überbrückt.<br />

Jetzt war der Weg frei für die angeblich<br />

schwerste Stelle, den Überhang. Und<br />

während dem zu allem entschlossenen<br />

Günter unnötige Stoßgebete in den Ohren<br />

klangen, kam von unten der vierte<br />

Mann, Manfred, nach. Das war es, was<br />

Gerhard vom Morskie Oko aus gesehen<br />

hatte. Zusammen mit Reinhard sauste er<br />

los, da es für sie feststand, dass die vier<br />

den Bergfi nken in der Nacht Gesellschaft<br />

leisten würden. „Braucht ihr was?“ scholl<br />

es durch die Dämmerung. Wie ein Kanonenschuss<br />

antworteten die vier Kehlen<br />

„Nein“.<br />

Gebraucht hätten wir vieles, aber wie<br />

sollten wir es erreichen? Das Wichtigste<br />

aber hatten die Kameraden gebracht,<br />

die Erinnerung daran, dass unten in der<br />

Hütte viele mit uns hofften und bangten.<br />

Das gab sehr viel Selbstvertrauen und<br />

Energie. Gespenstisch sah es jetzt aus, als<br />

nur noch der weiße Schnee aus dem Kar<br />

hochleuchtete, und wenn man den Kopf<br />

in den Nacken legte, sah man über allem<br />

eine „klingende Fledermaus“, so wurde<br />

Caramello betitelt, weil seine Schlosserei<br />

und Feldschmiede bei jeder Bewegung<br />

zu rasseln anfi ng, was sich in der Dämmerung<br />

unheimlich anhörte. Außer anerkennenden<br />

Rufen, speziell von Matz,<br />

wenn Günter wieder etwas an Höhe gewonnen<br />

hatte, war dann nur noch dessen<br />

Prusten zu hören. Sobald er mühsam die<br />

Trittschlinge eingehängt hatte, die Hakenabstände<br />

waren oftmals sehr groß,<br />

kam ein Ruck am Seil und es pendelte<br />

ein Stück weiter hinaus in die Dunkelheit<br />

wie auf einer Kinderschaukel. Aber es<br />

gab keine Zeit zum überlegen, sofort den<br />

nächsten Karabiner eingehängt, Trittschlinge<br />

dazu und wieder ein Kraftakt.<br />

Dann den vorigen Karabiner aushängen,<br />

weil sonst zuviel Seilzug entsteht und die<br />

Trittschlinge nachholen. Und das alles<br />

bei Zwielicht, ohne die Seilerei durcheinanderzubringen.<br />

Günter hatte die Hände<br />

schon auf dem Nachholeblock, da war<br />

es aus, zuviel Seilzug. Es war nichts zu<br />

machen, das Seil war um keinen Zentimeter<br />

mehr einzuziehen. Noch einmal<br />

zurück? Unmöglich, nach diesen Kraftproben.<br />

Er hing das zweite Seil an einem<br />

Haken fest und wälzte sich am einfachen<br />

Seil hinauf auf den rettenden Felsblock.<br />

Geschafft! Aber der Sicherungsplatz<br />

entsprach nicht den Erwartungen. Ein<br />

leicht abschüssiger Grasfl eck und dazu<br />

ein wackliger Haken. Aber es musste<br />

sein. Nur eine halbe Stunde hatte Caramello<br />

für den Überhang gebraucht, doch<br />

es schien den anderen eine Ewigkeit, bis<br />

er die Seile und Schlingen wieder klar<br />

hatte und endlich das erlösende Wort<br />

„Nachkommen!“ rief. Er hatte auch jede<br />

Hoffnung auf einen leichteren Weiterweg<br />

und einen Biwakplatz für alle vier<br />

zunichte gemacht, so dass Matz und<br />

Manfred beschlossen, abzuseilen und<br />

den anderen beiden vom Gipfel aus zu<br />

Hilfe zu kommen. Doch es sollte anders<br />

werden.<br />

Während Sigi die Wand abtastete, um<br />

den von Caramello vorher gesehenen<br />

Haken, den einzigen Wegweiser, der<br />

auf eine Querung nach rechts schließen<br />

ließ, in der Dunkelheit zu fi nden, irrten<br />

die beiden anderen hundert Meter tiefer<br />

durch die Wand und konnten die Grasbänder<br />

nicht mehr fi nden.<br />

„Biwakieren!“ schallte es ein paar Mal<br />

durch die Wand. So rauchte denn Günter<br />

halb sitzend, halb stehend, seine<br />

Abendzigarette, immer darauf bedacht,<br />

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