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125 JahreSektion Gera (6,86 MB)

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ereits erwähnt. Die folgenden Auszüge<br />

aus diesem Vortrag können vielleicht<br />

auch etwas vom Zeitgeist der damaligen<br />

Wirtschaftswunderjahre spiegeln:<br />

„(...) Es ist ein typologischer Grundsatz, dass jedes Körperglied durch Übung und<br />

Gebrauch sich kräftigt (während Nichtgebrauch Schwäche erzeugt). Am deutlichsten<br />

tritt dieser günstige Einfl uss bei unseren Muskeln in Erscheinung. Dieselben<br />

werden durch Übung, also in unserem Fall durch Bergsteigen, kräftiger. Dies ist<br />

nicht so zu verstehen, dass sie voluminöser und stärker werden, sondern der sogenannte<br />

Muskeltonus, die Spannkraft, die Ausdauer und Widerstandsfähigkeit<br />

nehmen zu – und zwar nicht bloß bei den Rumpf- und Extremitätenmuskeln, die<br />

unserem Willen unterworfen sind, sondern auch bei dem stetig, ohne Willenseinfl<br />

uss arbeitenden Herzmuskel. (...)<br />

Wenn Sie von Ihrer sommerlichen Bergfahrt heimgekehrt, um Ihres guten Aussehens<br />

willen gelobt und bewundert werden, so kommt dieses gute Aussehen nicht<br />

bloß auf Rechnung der veränderten Hautfärbung, das heißt der durch Luft und Sonne<br />

entstandenen Bräunung der unbedeckten Hautteile, sondern ist noch weit mehr<br />

der durch den Wasserverlust entstandenen Straffheit der Haut zu verdanken. Der<br />

ganze Gesichtsausdruck ist durch das Fehlen alles Gedunsenen oder Schwammigen<br />

nicht nur straffer, sonden auch, man kann so sagen, energischer geworden...<br />

Wer wollte den moralischen Nutzen in Abrede stellen, der daraus für die Stählung<br />

der Willenskraft, für die Erreichung oder Steigerung des persönlichen Mutes und<br />

rascher Entschlossenheit sich ergibt? – Wir sind am Ziele; die Herrlichkeit der Gebirgswelt<br />

ist vor uns ausgebreitet. – Es wird uns verständlich, wie der Versucher<br />

(nach der Bibel) Christus auf einen hohen Berg führen konnte, um ihm die Schätze<br />

der Welt zu zeigen! Ja, sie liegen vor uns, um uns, unter uns, die Schätze der Welt!<br />

Blau leuchtet der Himmel über uns, weiß schimmern die Gletscher um uns und tief<br />

unter uns in dunkler Waldesnacht, in grünes Tal hinab taucht der trotzige Felsrecke,<br />

auf dessen Haupt wir unsern Fuß setzten. Und weit hinaus schweift unser trunkener<br />

Blick über ein Chaos von Zinnen, Gipfeln, Graten, Zacken, von stolzen Türmen<br />

und gigantischen Mauern, gleich riesigen festgefrorenen Wogen eines wild empörten<br />

Ozeans, in dessen Mitte wir gleichsam wie auf hohem Maste stehen, in Überraschung,<br />

in Staunen, in Bewunderung versunken! – Fürwahr, wenn der Naturgenuss<br />

der edelste aller Genüsse ist, so muss der Genuss von erhabener Warte aus nicht bloß<br />

der edelste, sondern auch der erhabenste sein! Und dieser Genuss, dieser Nutzen<br />

des Bergsteigens, den ich als den ästhetischen Nutzen bezeichnen will, ist nicht<br />

fl üchtig, nicht auf das leibliche Auge beschränkt. Vielmehr behält unser Geist, unser<br />

inneres Auge, einen bleibenden, nachhaltigen Eindruck, der sich nicht vermischt,<br />

wenn wir den Alpen entrückt sind, der unser geistiges Eigentum bleibt als kostbares<br />

Gut der Erinnerung. Und diesen bleibenden geistigen Gewinn lassen Sie mich<br />

als den idealen Nutzen, als den wahren Gewinn des Bergsteigens bezeichnen! (...)<br />

Das für den vollkommenen Genuss eines erreichten Aussichtspunktes das Gefühl<br />

der Befriedigung darüber, das Ziel durch Einsetzen eigener Kraft erreicht zu haben,<br />

beträchtlich in die Wagschale fällt, dafür ein Beispiel aus eigener Erfahrung. Als ich<br />

vor einigen Jahren mit Freund (Justizrat Rudolf) Müller mittelst Zahnradbahn auf<br />

den Monte Generosi gefahren war und nach einem lukullischen Souper und gutem<br />

Schlaf frühmorgens den herrlichen Blick auf den Monte Rosa und seine Trabanten<br />

genoss – da beschlich mich das etwas beschämende Gefühl, diese Herrlichkeit doch<br />

gar zu leicht erkauft zu haben. – Es dürfte daher, wie schon erwähnt, als kein Ge-<br />

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