MAGNIFICAT - Das Stundenbuch April 2021

Das Bild im Blick 6
Heiliges Grab
Die Miniatur im Sakramentar Heinrichs II., die sich auf das
Ostergeheimnis bezieht, ist in den Kontext liturgischer Texte
eingeordnet. Es besteht deshalb kein direkter Zusammenhang
zu einem der Texte, die in den Evangelien von der Auferstehung
Jesu Christi künden. Vielmehr werden Elemente aus mehreren
Evangelien zusammengezogen und in einer Miniatur vereinigt.
Matthäus berichtet von zwei Frauen, die in der Frühe des ersten
Tags der Woche zum Grab kamen (vgl. Mt 28, 1). Er berichtet
auch von der Bewachung des Grabes durch Wächter und
von einem Engel, der den Frauen die Osterbotschaft verkündet.
Die Darstellung des Engels passt aber eher zum Markustext
(vgl. Mk 16, 5). Der Lukastext spricht von zwei Männern
in leuch tenden Gewändern und wie Markus von drei Frauen,
passt also am wenigsten zu der Miniatur. Der Evangelist Johannes
erzählt eine ganz andere Geschichte, weil hier Maria von
Magdala das geöffnete Grab entdeckt. Petrus sieht später „die
Leinenbinden liegen und das Schweißtuch, das auf dem Haupt
Jesu gelegen hatte; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern
zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle“
(Joh 20, 6 f.). Dies entspricht aber der Darstellung der Tücher
im geöffneten Grab unserer Miniatur. Wie so oft in der mittelalterlichen
Buchmalerei ist es also eine Art Evangelienharmonie,
die der Miniator uns vor Augen stellt.
Verehrung des Grabes
Die eigentliche „Hauptperson“ auf der Miniatur sind nicht
die beiden Frauen, die links vom Grabbau an den Rand gedrängt
werden; es ist auch nicht der Engel, der rechts etwas
mehr Platz erhält, weil er auf dem schräg stehenden Grabdeckel
sitzt und mit zu den Tüchern weisendem Zeigefinger und
kreuzgekröntem Botschafterstab in den Raum ausgreifen kann