MAGNIFICAT - Das Stundenbuch April 2021

Die Mitte erschließen 312
Auswendiger Vollzug
Denn anfangs werden Gebetszeiten tradiert, die mit Standard-
Gebeten wie dem Vaterunser gefüllt werden. Auch als sich in
Gemeinden eine Gebetszeit am Abend und am Morgen als gemeinsame
Feier etabliert, wird diese mit wenigen Elementen
gefüllt, die man auswendig kann, etwa Lichtdanksagung und
Weihrauchpsalm (Ps 141) am Abend. In den entstehenden Klöstern
werden umfangreichere Ordnungen nicht nur am Morgen
und am Abend, sondern mehrfach am Tag und in der Nacht etabliert.
Geprägt sind diese Gebetszeiten durch eine Vielzahl von
Psalmen, sodass der ganze Psalter binnen einer Woche rezitiert
wird. Neben der „Feier“ wird das „Pensum“ eine wichtige Kategorie.
So verzeichnet die Regel Benedikts eine solche Ordnung.
Die Psalmen selbst aber können die Mönche auswendig. Im
Mittelalter gilt die Kenntnis des Psalters oftmals als Voraussetzung,
um in ein Kloster eintreten zu können. Wir müssen dabei
berücksichtigen, mit wie wenig Texten man sich im Mittelalter
beschäftigt und dass das Auswendiglernen eine wichtige Technik
zur Tradierung ist.
Klösterliche Ordnungen und Bücher
Im Mittelalter werden diese Ordnungen zunächst in Verzeichnissen
erfasst. Die Ordines, die es für viele Feierformen gibt,
verzeichnen aber nur die Textanfänge. Umfangreichere Bücher
entstehen für den gesungenen Vollzug mit dem Antiphonar,
das die Gesänge des Stundengebets (Antiphonen, Psalmen,
Hymnen) zusammen mit den Neumen verzeichnet. Neben
dem Antiphonar benötigt man auch andere Bücher, etwa für
die Lesungen. Aus St. Gallen ist ein von einem Mönch Hartker
aufgezeichnetes Antiphonar mit Neumen aus dem 10. Jahrhundert
überliefert, das allein für den Kantor bestimmt ist. Später
folgen Antiphonare mit Noten, die mit dem Buchdruck leichter