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Wir nehmen uns für 12,- € eine Führerin,<br />
die uns eine Stunde lang durch die Reste<br />
dieser alten Stadt führt. Sie spricht gut<br />
englisch und erzählt uns auch etwas<br />
über ihr Leben und das heutige<br />
Tunesien.<br />
Sie selbst ist Berberin und hier<br />
aufgewachsen. Ihr Großvater hatte noch<br />
auf dem damals noch verschütteten<br />
Ausgrabungsgelände in Zelten gelebt.<br />
Ihnen wurde dann anderes Land<br />
zugeteilt und eine kleine Entschädigung<br />
gegeben. Ihr Vater hatte noch an den<br />
Ausgrabungen teilgenommen. Dass sie<br />
jetzt als Führerin arbeitet, war ihren<br />
Eltern gar nicht recht. Sie hatten Angst, dass sie lüstern angeblickt und begrapscht werden<br />
könnte. Ihren Ehemann hat sie nur unter der Prämisse geheiratet, hier weiterarbeiten zu können.<br />
Sie erzählte uns weiter, dass in Tunesien alle Menschen – ob Männer oder Frauen – vor<br />
dem Gesetz gleich seien, dass das jedoch in der Praxis häufig ganz anders aussehe. Häufig<br />
bestimmen die Eltern oder der Ehemann noch, was eine junge Frau machen darf und was<br />
nicht. Ihr bleibt dann natürlich die Möglichkeit weg zu gehen – aber wo hin? Einige Mädchen<br />
gehen dann zu ihren Großeltern. Wir erzählten ihr dann von unseren Beobachtungen an der<br />
Uni in Tunis. Darauf antwortete sie, dass dort die Eltern und Verwandten weit weg seien – fahren<br />
sie doch wieder nach Hause, ist häufig alles beim Alten. Seit fünf Jahren können auch<br />
Frauen in der Armee dienen.<br />
Sie bestätigte auch, dass der Durchschnittsverdienst in Tunesien umgerechnet 180,- bis 250,-<br />
€ betragen würde. Damit kann man so gerade leben – aber ohne Kleidung etc.<br />
Nachdem wir in einer kleinen Stadt in einem Restaurant, in dem viele liebende Pärchen in einer<br />
Art Hinterzimmer Händchen hielten, gegessen hatten, machten wir uns auf den Weg nach<br />
Chemtou.<br />
Chemtou war in römischer Zeit eine Stadt in der Provinz Africa proconsularis. Der Ort war vor<br />
allem für seine Steinbrüche bekannt, in denen geäderter, gelblich-rötlicher numidischer<br />
Marmor abgebaut wurde.<br />
<strong>Die</strong> Siedlung lag an der Kreuzung<br />
zweier wichtiger Straßen (von<br />
Karthago nach Hippo Regius und<br />
von Thabarca nach Sicca Veneria).<br />
Unter römischer Herrschaft begann<br />
im 1. Jahrhundert v. Chr. der Gesteinsabbau<br />
in großem Stil. Marmor<br />
numidicum war in der römischen<br />
Oberschicht als Luxusartikel gefragt.<br />
Er war für kaiserliche Prunkbauten<br />
begehrt und wurde nach Rom verfrachtet.<br />
Von der Stadt waren die<br />
Steinbrüche durch eine Mauer getrennt.<br />
Sie bildeten ein regelrechtes<br />
Ghetto – mit einem im Westen befindlichen<br />
Verwaltungsgebäude, im<br />
Osten liegenden Werkstätten und einem<br />
hermetisch abgeriegelten Unterbringungsgebäude für Strafgefangene in der Mitte. <strong>Die</strong><br />
Arbeit in den Steinbrüchen war beschwerlich, unfallträchtig und endete nicht selten tödlich. Es<br />
wurden daher Zwangsarbeiter eingesetzt. Häufig waren dies nach der Zeitenwende verfolgte<br />
Christen, die ihrem Glauben nicht abschwören wollten und deshalb vom Richter „zu den<br />
Steinbrüchen“ verurteilt wurden.