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Die gesamte Reise 2008

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An Bord reparierte ich die Toilette, bei der sich eine Schraube gelöst hatte und machte das<br />

Schiff für die 100 sm-Überfahrt nach Bodrum klar. Der Wetterbericht sieht hervorragend aus:<br />

Angesagt sind 3 bis 5 Bft. aus West, also genau von hinten. Ich denke, dass ich mit der Doppelfock<br />

segeln kann.<br />

Ich werde die <strong>Reise</strong> in zwei Tagen machen. Fast genau in der Mitte liegt eine Inselgruppe des<br />

Dodekanes, wo es eine schöne geschützte Bucht gibt. Dann bin ich am Freitag in Bodrum und<br />

kann dort einklarieren. Am Samstag fahre ich dann zur Werft. Der Besitzer mailte mir, dass er<br />

am Montag und <strong>Die</strong>nstag nicht da sei, da er seinen Sohn zum Arzt nach Ankara fahren muss.<br />

Gegen 21.00 Uhr fragen mich einige Griechen ganz freundlich, ob sie ihr Boot neben meins<br />

legen dürften. Da ich jedoch morgen sehr früh raus will, entscheide ich mich, ihnen den Platz<br />

zu geben und an der Vorderkante der Innenmole festzumachen.<br />

D ONNERSTAG, 5. J UNI <strong>2008</strong><br />

Santorin – Vathy (Astipalaia) (52 sm)<br />

Als ich morgens gegen 05.30 Uhr durch einen hinausfahrenden Fischer geweckt werde, entschließe<br />

ich mich auszulaufen. Es ist ein sehr ruhiger Morgen. Den Himmel zieren ein paar<br />

kleine Wolkenbänke. Draußen mache ich mir Frühstück. Dann geht gegen 06.00 Uhr die Sonne<br />

genau vor meinem Bug auf 60 Grad auf.<br />

Ich passiere die Südostecke von Santorin. Oben auf dem Berg liegt das alte Thira, das Brunhild<br />

und ich vor 14 Tagen besichtigt hatten. Hier vom Meer aus ist erst ersichtlich, wie uneinnehmbar<br />

diese Stadt gewesen sein müss. Während sich rechts und links weite Strände ausbreiten,<br />

erhebt sich der Felsen, auf dem Thira in schwindelnder Höhe liegt, steil aus dem<br />

Meer.<br />

Der neue Wetterbericht sagt für dieses Seegebiet für heute und morgen schöne 4 bis 5 Bft.<br />

aus West, also für mich genau von achtern, an. Leider scheint der Wind das noch nicht gehört<br />

zu haben. Es ist fast windstill. <strong>Die</strong> Maschine tuckert vor sich hin und die neue Selbststeueranlage<br />

hält genau Kurs.<br />

Es ist schon etwas gewöhnungsbedürftig, nach einer so langen Zeit mit anderen Menschen<br />

auf engem Raum, sich jetzt nur alleine zu haben. Wenn ich etwas mache, mache ich es leise<br />

und vorsichtig, um die anderen nicht zu stören oder zu wecken und stelle dann plötzlich fest,<br />

dass ich ja alleine bin. Eigentlich hat das auch was, nur Rücksicht auf sich selbst nehmen zu<br />

müssen.<br />

Aber nur so alleine durch die Welt zu bummeln, das ist es auch nicht. Ich reibe mich auch<br />

gerne an der Andersartigkeit von anderen Menschen und bin immer wieder erstaunt darüber,<br />

dass deren Sicht von Welt häufig ganz anders ist. Früher ist mir das nie so sehr aufgefallen.<br />

Hier an Bord ergeben sich jedoch viele Momente des Innehaltens. <strong>Die</strong> Wahrnehmung: komisch,<br />

wie der andere darauf reagiert hat, wird nicht so einfach Vergangenheit. Es ist Zeit,<br />

nachzufragen, sich in den anderen hineinzufühlen. Dann wird mir häufig deutlich, dass das für<br />

mich fremde, ja z.T. unverständliche Verhalten, einen Sinn ergibt. Ich lerne langsam verstehen,<br />

mein Gegenüber und mich selbst – was ich auslöse, wenn ich es so oder so sage. Dabei<br />

habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, dass dieses neue gegenseitige Kennenlernen<br />

für mich etwas sehr Wertvolles ist. Den anderen Menschen verstehen lernen, ist auch immer<br />

ein Prozess, mich selbst besser kennen zu lernen. Aber vor allem bringt er Vertrauen und Nähe.<br />

<strong>Die</strong> Angst, etwas falsch zu machen oder zu verletzen wird reduziert, denn die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass der andere seine Gefühle nicht hinunter schluckt, sondern sie äußert, wird von<br />

Mal zu mal größer. Das ist manchmal nicht leicht. Aber wenn dann die unterschiedlichen Welten<br />

dieser beiden Menschen aufeinanderknallen, erlebe ich es als befreiend. Ich kann dann<br />

wieder richtig durchatmen und ein neues Kapitel kann beginnen. Vor einigen Jahren hat das<br />

bei einem Freund dazu geführt, dass ich den Kontakt abbrach. Das hat mir viel Kopfzerbrechen<br />

bereitet und mich sehr traurig gemacht. Er kam jedoch wieder – und ich glaube, dass ich<br />

jetzt vieles besser verstehe.

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