Husserl_Vorlesungen_zur_Phaenomenologie_des_inneren_Zeitbewusstseins
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17] Vorlefungen <strong>zur</strong> Phänomenologie <strong>des</strong> <strong>inneren</strong> Zeitbewußtfeins. 383<br />
lie, es fei für die Erfaffung einer Folge von Vorftellungen (a u. b<br />
z. 13.) nötig, daß diefe die durchaus gleichzeitigen Objekte eines beziehenden<br />
Wiffens find, welches völlig unteilbar Se in einem einzigen<br />
und einigen Akte zufammenfaßt. Fille Vorftellungen eines Weges,<br />
eines übergangs, einer Entfernung, kurz alle, welche eine Verglei.<br />
cbung mehrerer Elemente enthalten und das Verhältnis zwifeen<br />
ihnen ausdrücken, können nur als Erzeugniffe eines zeitlich zufammenfaffenden<br />
Willens gedacht werden. Sie würden alle unmöglich<br />
fein, wenn das Vorftellen felbft ganz in zeitlicher Sukzeffion aufginge.<br />
Es erfcheint diefer Fluffaffung als eine evidente und ganz unausweichliche<br />
Annahme, daß die Finfthauung einer Zeitftrecke in einem<br />
Jet, in einem Zeitpunkt, ftatthabe. Es erfcheint überhaupt als<br />
Selbftverftändlichkeit, daß ein je<strong>des</strong> Bewußtfein, das auf irgendein<br />
Ganzes, auf irgendeine Vielheit unterfcheidbarer Momente geht<br />
(alio je<strong>des</strong> Relations- und Komplexionsbewußtfein) in einem unteilbaren<br />
Zeitpunkt feinen Gegenftand umfpannt; wo immer ein Bewußtfein<br />
auf ein Ganzes gerichtet ift, deffen Teile fukzeffiv find, kann es<br />
ein anfeauliees Bewußtfein diefes Ganzen nur fein, wenn die Teile<br />
in Form von Repräfentanten <strong>zur</strong> Einheit der Momentanfeauung zufammentreten.<br />
Gegen diefes »Dogma von der Momentaneität eines<br />
Bewußtfeinsganzen« (wie er es nennt) hat W. Stern Einfprue erhoben.<br />
1) Es gäbe Fälle, in denen die einheitliche Fluffaffung auf<br />
Grund eines zeitlich ausgedehnten Bewußtfeinsinhaltes zuftande<br />
käme, lie über eine Zeitftrecke (die fogenannte »Pr'äfenzzeit«) aus»<br />
dehne. So kann z. B. eine diskrete Sukzeffion unbefeadet der Ungleichzeitigkeit<br />
der Glieder durch ein Bewußtfeinsband, durch einen<br />
einheitlichen Fiuffaffungsakt zufammengehaften fein. Daß mehrere<br />
aufeinanderfolgende Töne eine Melodie ergeben, ift nur dadurch<br />
möglich, daß die Aufeinanderfolge pfyeifeer Vorgänge fich »ohne<br />
weiteres« zu einem Gefamtgebilde vereinige. Sie find im Bewußtfein<br />
nacheinander, aber fie fallen innerhalb eines und <strong>des</strong>felben Ge»<br />
famtaktes. Wir haben nicht etwa die Töne auf einmal, und wir<br />
hören die Melodie nicht vermöge <strong>des</strong> Umftan<strong>des</strong>, daß beim letzten<br />
Ton die früheren naedauern, fondern die Töne bilden eine fukzeffive<br />
Einheit mit einer gerneinfamen Wirkung, der iluffaffungsform.<br />
Natürlich vollendet fich die leetere erft mit dem leten Ton. Dem»<br />
entfprechend gibt es eine Wahrnehmung von zeitlich fukzedierenden<br />
Einheiten, ebenfo wie von koexiftierenden und fodann auch eine<br />
1) sPfyd)ifche Präfenzzeit , , Zer. f. Plychologie, Bd. XIII (1897) S. 325ff..<br />
Vgl. auch W. Stern, Pfychologie der Veränderungsauffaffung 1898.