Husserl_Vorlesungen_zur_Phaenomenologie_des_inneren_Zeitbewusstseins
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391 Vorlefungen <strong>zur</strong> Phänomenologie <strong>des</strong> <strong>inneren</strong> Zeitbei.vußtfeins. 405<br />
tion auf den eben gehörten Ton oder tonalen Verlauf lebendig ift, diefer<br />
leibe noch einmal reproduziert. Den Takt, den ich eben noch gehört<br />
habe und auf den meine Aufmerkfamkeit noch gerichtet ift, verge•<br />
genwärtige ich mir, indem ich ihn innerlich noch einmal nachvollziehe.<br />
Der Unterfeed fpringt in die Augen. In der Vergegenwärtigung<br />
haben wir nun den Ton oder die Tongeftalt mitfamt ihrer ganzen<br />
zeitlichen Extenfion noch einmal. Der vergegenwärtigende fikt ift<br />
zeitlich genau fo extendiert wie der frühere Wahrnehmungsakt, er<br />
reproduziert ihn, er läßt Tonphafe für Tonphafe und Intervall für<br />
Intervall ablaufen, er reproduziert dabei auch die Phafe der primären<br />
Erinnerung, die wir für den Vergleich ausgewählt hatten. Dabei<br />
ift er nicht eine bloße Wiederholung, und der Unterfchied befteht<br />
nicht etwa bloß darin, daß wir einmal eine feichte Reproduktion<br />
haben und das andere Mal eine Reproduktion von einer Reproduktion.<br />
Wir finden vielmehr radikale Unterfcbiede im Gehalt. Sie<br />
treten hervor, wenn wir etwa fragen, was den Unterfeed zwifehen<br />
dem Erklingen <strong>des</strong> Tones in der Vergegenwärtigung ausmacht und<br />
dem nachbleibenden Bewußtfein, das wir von ihm doch auch in der<br />
Phantafie <strong>zur</strong>ückbehalten. Der reproduzierte Ton während <strong>des</strong> »Erklingens<br />
ift Reproduktion vom Erklingen. Das nachbleibende Bewußtfein<br />
nach dem reproduzierten Erklingen ift nicht mehr Reproduktion<br />
<strong>des</strong> Erklingens, fondern <strong>des</strong> eben gewefenen, eben noch<br />
gehörten Er -klingens , und diefes ftellt fleh in ganz anderer Weife<br />
dar als das Erklingen felbft. Es bleiben die Phantasmen, welche<br />
die Töne datftellen , nicht etwa im Bewußtfein ftehen , als ob nun<br />
in der Vergegenwärtigung jeder Ton als ein identifch verharren<strong>des</strong><br />
Datum konftituiert wäre. Sonft könnte es ja gar nicht zu einer<br />
anfehaulichen Zeitvorftellung, der Verftellung eines Zeitobjektes in<br />
der Vergegenwärtigung kommen. Der reproduzierte Ton vergeht,<br />
fein Phantasma bleibt nicht identifch Rehen, fondern es modifiziert<br />
fleh in eigentümlicher Weife und begründet das vergegenwärtigende<br />
Bewußtfein von Dauer, Veränderung, Aufeinanderfolge UK17.<br />
Die Modifikation <strong>des</strong> Bewußtfeins , die ein originäres Jett in<br />
ein r e produziertes verwandelt, ift etwas ganz anderes als<br />
diejenige Modifikation, welche, fei es das originäre, fei es das<br />
reproduzierte Jett verwandelt in das Vergang e n. Diele lettere<br />
Modifikation hat den Charakter einer ftetigen libkhattung ; wie das<br />
Jet fieb ftetig abftuft in das Vergangen und weiter Vergangen,<br />
fo ftuft fleh auch das intuitive Zeitbewußtfein ftetig ab. Dagegen<br />
ift von einem ftetlgen Übergang von Wahrnehmung in Phantafie,<br />
von Impreffion in Reproduktion keine Rede. Der lettere Unterfchied