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Grundlagen der kontrollierten radikalischen Polymerisation<br />
I.6 Kinetische Betrachtung der kontrollierten radikalischen<br />
Polymerisation<br />
Die Beschreibung der Polymerisationskinetik erfordert die Definition aller Teilreaktionen, die<br />
an diesem Prozess beteiligt sind. Die wichtigsten sind die Initiierungs-, Wachstums-,<br />
Abbruch- und Austauschreaktionen. Findet keine Abbruchreaktion satt, so spricht man von<br />
einer lebenden Polymerisation. Zur Zeit ist es jedoch unmöglich, in einer homogenen<br />
radikalischen Polymerisation bimolekulare Reaktionen zwischen wachsenden Ketten völlig zu<br />
unterdrücken. Darum bezeichnet man die kontrollierte radikalische Polymerisation als<br />
scheinbar "lebend" (quasi-living).<br />
Die Beschreibung der Kinetik einer kontrollierten radikalischen Polymerisation erfolgt unter<br />
der Annahme gleicher Reaktivität, gleicher Wachstums- (kp) und Terminierungskonstanten<br />
(kt) für das Polymerradikal wie in einem konventionellen System. Die lebende Kette erzielt<br />
innerhalb von einigen Stunden einen Polymerisationsgrad von 10 3 und befindet sich während<br />
der Polymerisationszeit meistens im „schlafenden“ Zustand. Daraus folgt, dass [P•]<br />
proportional zur Polymerisationsgeschwindigkeit Vp ist. Durch die experimentelle<br />
Bestimmung von Vp kann dann der Anteil an aktiven Ketten [P•] bzw. aller lebenden Ketten<br />
([P-T] + [P•]) abgeschätzt werden [74,83] . In einer idealen kontrollierten radikalischen<br />
Polymerisation gibt es keine Reaktionen neben der Aktivierungs-, Deaktivierungs- und<br />
Wachstumsreaktion. Daraus folgt, dass die Polymerisationskinetik und das Molekulargewicht<br />
durch zwei Parameter kakt / kdeak und Vp definiert werden können. Weichen die Kettenlänge<br />
und die Verteilung vom idealen Fall ab, so sind Nebenreaktionen wie die Terminierung, die<br />
langsame Initiierung, die Kettenübertragung und die Bildung von toten Ketten zu betrachten.<br />
Die Ermittlung von Vp und der Gleichgewichtskonstanten K ist erforderlich, um eine<br />
kontrollierte radikalische Polymerisation zu bewerten. Eine ausführliche Untersuchung dieser<br />
Parameter erlaubt es, nicht nur den genauen Mechanismus des Aktivierungs-<br />
Deaktivierungsprozesses zu verstehen, sondern auch die Effekte der Nebenreaktionen auf<br />
Vp [84] .<br />
Die Polymerisationsgeschwindigkeit kann durch die Gleichung I-2 definiert werden.<br />
Gleichung I-2:<br />
[ ]<br />
d M<br />
•<br />
Vp =− = kp ⎡P ⎤×<br />
dt ⎣ ⎦ M<br />
24<br />
[ ]