Brasiliens. - Brasiliana USP

14 Die Vergangenheit und Zukunft
Wilden so häufige Gewohnheit gewirkt haben, sich Weiber von anderen
Stämmen, durch Raub oder durch freundschaftlicheVerbindungen,
zu verschaffen, und besiegte Feinde als^Sckven und Grundholde
zwischen sich einsiedeln zu lassen. Eine kleine Colonie
fremder Weiber mag hinreichen, um in kurzer Zeit das Idiom einer
Horde zu verändern, deren Männer den geringsten Theil der Zeit
in der Familie anwesend, oder wenn auch dies, vermöge ihrer
Schweigsamkeit nicht im Stande sind, den fremdartigen Spracheinflüssen
das Gleichgewicht zu halten. Dass die Weiber im Allgemeinen
geneigt seien, die Sprache ihrer Väter länger zu erhalten
als das männliche Geschlecht, ist eine Bemerkung Cicero's, auf
welche Alexander von Humboldt hingewiesen. In Amerika muss
dieser Einfluss des weiblichen Geschlechtes um so wirksamer' gewesen
sein, als dasselbe eine viel grössere Beweglichkeit und geistige
Regsamkeit bethätigt, als das träumerisch wilde und starre Geschlecht
der Männer.
Der Sprachen und Dialekte gibt es in Amerika ausserordeht-
•lich viele; — sie sind auf Horden und Stämme, seltener, auf Völker
von beträchtlicher Individuenzahl beschränkt; — sie sind einer ewigen
Umbeugung und Verschmelzung, Zersetzung und Wiederzusammensetzung
ihrer Elemente, einem Wechsel der Bedeutung der
Worte und des Lautes unterworfen; — ja, noch mehr, sie unterliegen
einem fortdauernden Anfang und Ende. Dass ein solcher
Zustand eine antisociale Wirkung haben müsse, ist wohl natürlich.
Es ist mir geschehen, dass mir bei der Beschulung des Amazonenstroms
vierzig Indianer als Ruderer dienten, von denen sich die
Hälfte nicht anders, als durch Zeichen verständigen konnte, da
Jeder eine andere Sprache oder einen andern, sehr divergenten
Dialekt, redete. Daher denn auch die störrische Einsylbigkeit und
Indolenz, zu welcher diese rothen Menschen herabgesunken sind,
daher die traurige Erscheinung, dass eine Sprache zu blossem Familieninstitut
eingeschrumpft ist.