BMVBS-Online-Publikation 09/2013 - Empirica
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Innerstädtische Hauptverkehrsstraßen 100<br />
tische HVS mit einer weitgehend intakten Bau- und Nutzungsstruktur und stadträumlichen Lagequalitäten<br />
können auch bei hoher Verkehrsbelastung gut funktionieren und als Wohnstandort für<br />
unterschiedliche Nachfragegruppen attraktiv sein. Dies gilt insbesondere bei angespannten Wohnungsmärkten<br />
und hohen Preisen, die die Wahlfreiheit einschränken.<br />
In der Vielzahl der Städte mit weniger angespannten Märkten und bei weniger intakten Strukturen<br />
der HVS ist die Bandbreite der Nachfragegruppen eingeschränkter. Im jeweiligen Vergleich der<br />
Quartiere, in denen die HVS gelegen sind, konzentrieren sich hier die jeweils wohnkaufkraftschwächeren<br />
Haushalte. Im kleinräumigen Maßstab sind HVS daher oft preisgünstigere Bereiche in ansonsten<br />
funktionierenden Wohnlagen. Die Intensität der HVS-Belastungen – insbesondere Lärm -<br />
und die Qualität des Erscheinungsbildes beeinflussen die Ausprägung kleinräumiger Unterschiede.<br />
Gerade Familien mit kleinen Kindern und Senioren sind Haushaltsformen, die überdurchschnittlich<br />
sensibel gegenüber ihrem Nahumfeld sind, bzw. stärker auf das unmittelbare Umfeld ihrer Wohnung<br />
angewiesen sind. Belastungen der HVS-Standorte wirken für diese Haushalte stärker qualitätsmindernd.<br />
Dabei zählen zu den Belastungen nicht nur Emissionen, Gefahrenquellen, negatives<br />
Image und fehlende Aufenthalts- und Freiraumqualitäten, sondern auch eine sozial segregierte<br />
Nachbarschaft.<br />
Einkommensarmut und soziale Segregation korrelieren sehr stark, sind jedoch nicht zwangsläufig<br />
deckungsgleich. So können z.B. preisgünstige Wohnlagen an HVS durch einkommensarme Haushalte<br />
geprägt sein, die als Studenten, Künstler oder freiberufliche Berufsanfänger ein besonderes<br />
Flair entfalten und z.B. auch preiswerte Ladenlokale nutzen. In dem Fall sind es keine verfestigten<br />
Armutslagen, die mit einer Reihe weiterer Belastungen einhergehen und als soziale Segregationserscheinungen<br />
Anlass zur Sorge geben müssen. Allerdings sind solche HVS-Standorte eher Ausnahmen<br />
und setzen einen großstädtischen Einzugsbereich voraus. Der Großteil der schwierigen<br />
HVS-Bereiche, die zudem eingebettet in eher belastete Wohnquartieren liegen, liefert dagegen eher<br />
Anlass zur Sorge, wenn sich einkommensarme Haushalte, die auf öffentliche Unterstützung angewiesen<br />
sind, besonders konzentrieren.<br />
Bewirtschaftungsschwächen an HVS verstärken selektives Umzugsverhalten<br />
Bei einer zu erwartenden Zunahme an Bewirtschaftungsschwächen an schwierigen HVS-Standorten<br />
ist zu erwarten, dass sich selektive Wanderungen verstärken. Je nach Ausmaß der Entmischung<br />
entstehen selbstverstärkende Effekte, die eine stärkere soziale Durchmischung verhindern. Negative<br />
Folgewirkungen entstehen insbesondere bei der Segregation von Familienhaushalten, wenn das<br />
Aufwachsen von Kindern mit benachteiligenden Entwicklungschancen einhergeht. Nachbarschaftseffekte<br />
als stabilisierende oder destabilisierende Effekte sind z.B. in Studien der USA empirisch<br />
belegt 15<br />
, in Deutschland jedoch noch stark umstritten, da es nur wenige empirische Befunde hierzu<br />
gibt. In der Studie „Gesund lernen“ wurden für Deutschland Nachbarschaftseffekte unabhängig von<br />
familiären Hintergründen auf gesundheitliches Verhalten bei Eltern und Kindern nachgewiesen<br />
(empirica et al. 2010).<br />
15 U.a. diverse Veröffentlichen von Sampson, Robert J., Crane, J. oder insbesondere Auswertungen zu dem<br />
MTO Experiment (1994-1997 Moving to Opportunity Experiment).<br />
Entwicklungsdimensionen <strong>BMVBS</strong>-<strong>Online</strong>-<strong>Publikation</strong> Nr. 07/<strong>2013</strong>