BMVBS-Online-Publikation 09/2013 - Empirica
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Innerstädtische Hauptverkehrsstraßen 89<br />
Dennoch lassen sich im Zeitverlauf zentrale Entwicklungslinien und Prioritäten unterscheiden.<br />
Städtebaulicher Umgang mit den HVS<br />
Historisch gesehen wurden Hauptstraßen und Plätze bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts als die<br />
wichtigsten Schaufenster der Städte verstanden 14<br />
, bevor sie verkehrlich funktionalisiert wurden.<br />
Diese verkehrlich funktionale Sicht wurde getragen von Leitbildern der Funktionstrennung (Charta<br />
von Athen, 1933) und der autogerechten Stadt der 1960/70er Jahre. Mit der Stadterneuerungsdebatte<br />
der 1980er Jahre und dem Leitbild der nutzungsgemischten „Europäischen Stadt“ in Forschung<br />
und Wissenschaft wurde der Paradigmenwechsel nach dem Leitbild der kompakten europäischen<br />
Stadt (Leipzig Charta 2007) vollzogen.<br />
Nachdem bereits in den 1980er Jahren für Wohngebiete Konzepte zur Verkehrsberuhigung, wie<br />
z.B. Spielstraßen entwickelt wurden, stehen HVS erst in jüngster Zeit im Fokus der Stadtplanung,<br />
nachdem diese Straßen zuvor von der Verkehrsplanung dominiert wurden. Seit den späten 1980er<br />
Jahren werden zahlreiche Konzepte und Planungsansätze verfolgt, die unter anderem die engen<br />
Verflechtungen und gegenseitigen Abhängigkeiten von Siedlungstyp, Straße und Verkehr im Sinne<br />
der „Stadt der kurzen Wege“ berücksichtigen. Die Stadtentwicklung beschäftigte sich darüber hinaus<br />
im Rahmen des ressourcensparenden Umgangs mit Grund und Boden intensiv mit dem Thema<br />
Nachverdichtung, Innenentwicklung und Stadtreparatur.<br />
Die Vielfalt von HVS weist zudem auf die Komplexität der vorhandenen Funktionen hin. Sichtbar<br />
sind die klein- und großräumigen Erschließungsfunktionen für die angrenzenden Quartiere und die<br />
überörtliche Anbindung (inklusive der benötigten Verkehrstechnik). Daneben bleiben die technischen<br />
Versorgungsfunktionen wie z.B. Kanäle, Leitungen zumeist unsichtbar und treten in den Hintergrund.<br />
HVS sind Standorte mit zentraler Wohn- und Arbeitsfunktion. Darüber hinaus übernehmen sie in<br />
der Regel eine Versorgungsfunktion zumindest für die angrenzenden Quartiere, oft aber auch darüber<br />
hinaus als Stadtteilzentrum. Bedingt durch ihre zentrale Lage verfügen sie über eine hohe<br />
Durchgangs- und in Teilen auch Aufenthaltsfunktion. Unabhängig von der Qualität ihres Erscheinungsbildes<br />
sind sie Visitenkarten der angrenzenden Quartiere und übernehmen damit eine wichtige<br />
Identifikations- und Orientierungsfunktion. Je nach städtebaulicher Ausbildung übernehmen<br />
ganz oder teilweise geschlossene Blockränder von HVS eine wichtige Schutzfunktion für die rückwärtigen<br />
Freibereiche und sichern ihre Qualität.<br />
Städtebauliche Risiken und Potenziale der HVS<br />
Aus den beschriebenen Funktionen lassen sich auch die wesentlichen Probleme und Defizite von<br />
HVS ableiten. Neben den angesprochenen Stadtbilddefiziten durch z.B. aufgelöste Raumkanten<br />
oder den Verlust ortsbildprägender Elemente führen vor allem die bereits im Kapitel Mobilität, Verkehr<br />
und Aufenthalt beschriebenen Nutzungskonkurrenzen und die einseitige Dominanz des motorisierten<br />
Individualverkehrs im Straßenraum zu vielfältigen Problemen, angefangen von erheblichen<br />
Mängeln der Umweltqualität, Einschränkung/Verdrängung der Nahmobilität, dem Verlust von Auf-<br />
14 Joseph Stübben mit seinem grundlegenden Buch „Der Städtebau“ im Jahr 1890 und in der Folge Camillo<br />
Sitte in „Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen“ beschreiben diese Funktion der Hauptverkehrsstraßen.<br />
Entwicklungsdimensionen <strong>BMVBS</strong>-<strong>Online</strong>-<strong>Publikation</strong> Nr. 07/<strong>2013</strong>