BMVBS-Online-Publikation 09/2013 - Empirica
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Innerstädtische Hauptverkehrsstraßen 81<br />
Rechtlich sind die Möglichkeiten zur Begrenzung der Verkehrsgeschwindigkeiten in Deutschland in<br />
§ 45 Straßenverkehrsordnung (StVO) geregelt. Hier werden Geschwindigkeitsbegrenzungen nach<br />
aktueller Auslegung an HVS nur im begründeten Ausnahmefall, wie z.B. bei besonderer Gefahrenlage<br />
zugelassen. Trotz vielfacher Forderungen aus Fachkreisen kann aktuell auch in zentralen städtischen<br />
Bereichen mit hohem Fußgängeraufkommen und überwiegender Aufenthaltsfunktion keine<br />
weitergehende Geschwindigkeitsbeschränkung von weniger als 20 km/h angeordnet werden. Die<br />
Auslegungspraxis des § 45 ist auf der Ebene der Genehmigungsbehörden nicht einheitlich. So werden<br />
nächtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen auf HVS in Berlin zugelassen, während sie in Frankfurt<br />
am Main im August 2012 wieder untersagt wurden.<br />
Dabei werden in der fachlichen und politischen Diskussion folgende Argumente gegen bzw. für Geschwindigkeitsbegrenzungen<br />
auf HVS angeführt:<br />
Gegen eine Einführung von Tempo 30 auf HVS wird angeführt, dass auf diesen Straßen rund 2/3<br />
des Gesamtverkehrs abgewickelt wird und deshalb keine Reduzierung der Verkehrsleistung möglich<br />
ist. Wie hoch die Reduzierung der Verkehrsleistung durch Tempo 30 ist, oder ob eine<br />
Entschleunigung des Verkehrs zu einer den Verkehrsfluss fördernden Verstetigung führen kann, ist<br />
in der Fachwelt jedoch umstritten. Belastbare Untersuchungen, die eine deutliche Reduzierung der<br />
Verkehrsleistung belegen, liegen nicht vor.<br />
Als Argumente für Geschwindigkeitsreduzierungen auch auf HVS werden insbesondere mehr Sicherheit<br />
und mehr Lebensqualität in den Städten genannt. So gehen Unfalluntersuchungen in Tempo-30-Zonen,<br />
die mittlerweile in einer Vielzahl von deutschen Städten durchgeführt wurden, davon<br />
aus, dass die Unfallzahlen um 15 bis 40 Prozent sinken, bei Fußgängern und Radfahrern sogar um<br />
rund 70 Prozent. Der Grund liegt in den deutlich höheren Bremswegen bei höheren Geschwindigkeiten:<br />
Bei Tempo 30 steht ein Auto nach 13 bis 15 Metern – bei 50 km/h endet nach dieser Distanz<br />
die Reaktionszeit; der eigentliche Bremsweg endet erst nach weiteren rund 14 Metern.<br />
Hinzu kommt das Argument höherer Lebensqualität durch weniger Lärm. In Berlin gilt, wie beschrieben,<br />
auf einigen HVS aus Lärmschutzgründen Tempo 30. So senkt Tempo 30 im Vergleich zu<br />
Tempo 50 auf HVS den Lärmpegel um 2 bis 3 Dezibel, was circa einer halbierten Verkehrsmenge<br />
entsprechen würde.<br />
Darüber hinaus wird verkehrlich mit der Stärkung der Nahmobilität argumentiert. So kann Tempo<br />
30 der deutlich wachsenden Bedeutung des Fahrradverkehrs Rechnung tragen. Die Stadt Köln<br />
konnte nach eigenen Erhebungen bei den Radfahrern 2011 einen Zuwachs von zehn Prozent verzeichnen.<br />
Da Tempo 30 grundsätzlich auch ohne größere Umbaumaßnahmen realisiert werden<br />
kann, konnten die Bedingungen für Radfahrer und die wachsende Zahl von E-Bikern flächenhaft<br />
deutlich aufgewertet und verbessert werden.<br />
Des Weiteren wird argumentiert, dass sich Nutzungskonkurrenzen in innerstädtischen Straßenräumen<br />
bei Tempo 30 abbauen lassen, weil Radverkehr und MIV den zur Verfügung stehenden Raum<br />
gemeinsam nutzen und schmalere Fahrspuren realisierbar sind, so dass räumliche Synergiegewinne<br />
für die weiteren Verkehrsteilnehmer erreicht werden.<br />
Entwicklungsdimensionen <strong>BMVBS</strong>-<strong>Online</strong>-<strong>Publikation</strong> Nr. 07/<strong>2013</strong>