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sätzliches politisches Werk „Mein Kampf“ <strong>als</strong> wissenschaftlicher Schriftsteller hervorgetreten<br />

ist, würde ich die Verwirklichung dieser Möglichkeit lebhaft begrüßen. Durch eine Lehrtätigkeit<br />

Adolf Hitlers würde die Bedeutung und das Ansehen der Hochschule zweifellos sehr gesteigert<br />

werden.<br />

Da Herr Hitler, <strong>als</strong> Deutschösterreicher in Braunau am Inn geboren (20.4.89), zur Zeit staatenlos<br />

ist, legt er Wert darauf, daß seine Berufung in einer Form erfolgt, durch die ihm zugleich<br />

das deutsche Staatsbürgerrecht nach § 14 des Staatsangehörigkeitsgesetzes verliehen wird.<br />

Herrn MR <strong>Dr</strong>. Albrecht bitte ich zu prüfen, in welcher Form eine sofortige Berufung möglich<br />

ist. Da eine Befragung der Hochschule satzungsgemäß nicht erforderlich ist, kann sie in diesem<br />

Falle unterbleiben. Herr MR <strong>Dr</strong>. Kiesel bitte ich zu prüfen, ob die beabsichtigte Form der<br />

Berufung den Bedingungen des § 14 des Staatsangehörigkeitsgesetzes entspricht. Zu dem<br />

letzten Punkt ist auch die Stellungnahme des Hernn OL Gerichtsrats Wanstrat herbeizuführen.<br />

Klagges“<br />

Die entsprechende Akte befindet sich im Document Center, Berlin (hier zitiert nach Morsey<br />

1960, S. 451)<br />

Die von Morsey mit Fragezeichen angegebene Datierung 18.2.1932 ist offensichtlich unrichtig<br />

und wird von Küchenthal bestritten.<br />

Der Aktenvermerk ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Warum wird er überhaupt von<br />

Klagges verfaßt? Dient er <strong>als</strong> Anweisung für die Ministerialbeamten Albrecht, Kiesel und<br />

Wanstrat? Geht es darum, einen Gegengutachten zu dem Kaisenberg-Gutachten zu verfassen,<br />

um den Vorwurf der Scheinernennung zurückzuweisen? Da Klagges mit den juristischen Details<br />

der Einbürgerung vertraut ist, muß der Punkt schon zuvor (ausgelöst durch das<br />

Kaisenberg-Gutachten?) diskutiert worden sein. Geht es darum, dem möglichen Widerstand<br />

der TH entgegenzutreten? Dieser Absicht könnte der Hinweis dienen, daß Hitler mit „Mein<br />

Kampf“ die wissenschaftliche (sic) Qualifikation für die Berufung liefere. Will Klagges gegenüber<br />

Hitler später seine Bemühungen dokumentieren? Ob die Hochschule übergangen<br />

werden kann, ist allerdings umstritten. Klagges Argument lautet, daß es sich durch die Umwidmung<br />

der Denomination um eine neue <strong>Prof</strong>essur handle und deshalb die TH nicht einbezogen<br />

werden müsse. Klagges muß klar gewesen sein, daß Hitler die Tätigkeit nicht ausüben<br />

kann bzw. will. Vorgesehen ist für die Berufung die vakante Riekel-Stelle.<br />

Auch wenn die Eilbedürftigkeit des Vorgangs betont wird, stellt der Aktenvermerk nicht den<br />

Beginn der Einbürgerungsaktion dar, da bereits zuvor mehrfach zwischen Berlin und Braunschweig<br />

konferiert wurde. Zudem schreibt Klagges in seinem Aktenvermerk, daß er schon<br />

„seit längerer Zeit“ den Gedanken gehabt habe. Pollmann 1995, S. 444 ist der Ansicht, daß<br />

Klagges den Aktenvermerk selber verfaßt hat.<br />

Ein weiterer Aspekt ist die Frage, was Klagges mit der Denomination „organische Gesellschaftslehre<br />

und Politik“ meint. Bezieht sich das Adjektiv nur auf „Gesellschaftslehre“ oder<br />

auch auf „Politik“? Vermutlich meint er beides. Was versteht er unter „organisch“? 1974<br />

wird Klagges ein Buch „Eine Tugend gegen alle Todsünden. Das organische Weltbild“ veröffentlichen,<br />

das zur Klärung seines Verständnis von „organisch“ beitragen wird. Warum benutzt<br />

er den Begriff „Politik“ statt des dam<strong>als</strong> gebräuchlichen „Staatsbürgerkunde“ und warum<br />

„Gesellschaftslehre“ statt des gebräuchlichen „Soziologie“? In der Denomination von<br />

Roloff heißt es „Staatsbürgerkunde“ und in der Denomination von Geiger „Soziologie“. Will<br />

Klagges mit seinen Begriffen den Anschein einer fachlichen Überschneidung vermeiden?<br />

Oder mißfällt ihm der Begriff „Staatsbürgerkunde“ <strong>als</strong> zu demokratisch und zu sehr an Weimar<br />

erinnernd? Jedenfalls geht es Klagges in seiner Begründung für die Berufung um eine<br />

<strong>Prof</strong>essur zur ideologischen Beeinflussung aller Studenten der TH im Sinne des Nation<strong>als</strong>ozialismus.<br />

Wäre Hitler tatsächlich in der Lehre tätig geworden, hätte er sich in eine fachliche<br />

Konkurrenz zu Geiger und vermutlich auch Roloff begeben. Auf jeden Fall ist es wert, die<br />

Idee, die Klagges mit seiner Denomination verfolgte, weiter aufzuklären.

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