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Das Ergebnis zeigt, daß die Parteien, die Hindenburg unterstützen, im Vergleich zur letzten<br />
Reichstagswahl an Kraft verloren haben bzw. nicht alle Wähler der Weimarer Koalition den<br />
Schwenk zur Unterstützung Hindenburgs mittragen, weil dieser bei der letzten Wahl noch ihr<br />
Gegner war. Übertragen auf die Stimmenverteilung der ihn unterstützenden Parteien bei der<br />
Reichstagswahl hätte Hindenburg nämlich 61,3 % bekommen können.<br />
Hitler erhält im Land Braunschweig 124.360 Stimmen und damit relativ mehr <strong>als</strong> im Reich.<br />
Bei einer Landtagswahl hätte das 17 Sitze (von 40) für die NSDAP ergeben.<br />
Goebbels notiert in seinem Tagebuch: „Wir sind geschlagen; furchtbare Aussichten. Wir haben<br />
uns nicht so sehr getäuscht in der Einschätzung unserer Stimmen <strong>als</strong> in der Einschätzung<br />
der Chancen für die Gegenseite. Es fehlen ihr nur 100 000 Stimmen an der absoluten Mehrheit.<br />
… Unsere Parteigenossenschaft ist auf das tiefste deprimiert und mutlos. Wir können uns<br />
jetzt nur durch einen kühnen Wurf retten. Ich telephoniere in der Nacht mit dem Führer. Er<br />
hat absolut die Fassung behalten und steht über der Situation.“ (Goebbels 1987, Teil I, Bd. 2,<br />
S. 140)<br />
Demnach hatten Hitler und Goebbels fest mit einem Wahlsieg gerechnet, um über die Variante<br />
Reichspräsident, Einsetzung eines NS-Kanzlers und Notverordnungen an die Macht zu<br />
kommen.<br />
Hitler verfaßt abends einen Aufruf, um die enttäuschten Parteimitglieder wieder aufzurichten.<br />
Gegenüber der Septemberwahl habe die NSDAP immerhin ihre Stimmenzahl verdoppelt. Sie<br />
sei jetzt die stärkste Partei in Deutschland.<br />
Laut Otto Dietrich sei der 13.3.1932 nach Eingang der Wahlergebnisse eine<br />
„schicksalentscheidende Nacht“ gewesen, da Hitler seine resignierende Partei durch den Aufruf<br />
wieder Mit gemacht habe. (Dietrich 1934, S. 59)<br />
15.3.1932<br />
Sitzung des thüringischen Untersuchungsausschuß unter Vorsitz von Hermann Brill (SPD) in<br />
der Affäre Hildburghausen. Hitler, Frick und Stennes (NS-Renegat bzw. in die NSDSAP<br />
eingeschleuster Agent) werden in einer turbulenten Sitzung im Beisein der NS-Prominenz im<br />
Plenarsaal des Thüringischen Landtags vernommen. Hitler, der sich <strong>als</strong> „Regierungsrat und<br />
Schriftsteller“ vorstellt und <strong>als</strong> letzter der 3 Zeugen ½ Stunde befragt wird, erklärt, von Frick<br />
mit der Ernennungsurkunde überrascht worden zu sein. Er habe die Art der Einbürgerung<br />
abgelehnt und will die Ernennungsurkunde später vernichtet haben. An eine Empfangsbestätigung,<br />
in der er erklärt hat, daß Amt nicht ausüben zu wollen und auf ein Gehalt zu verzichten,<br />
kann er sich angeblich nicht erinnern. (Details bei Overesch 1992, S. 555f und Hitler<br />
1997, S. 227 ff)<br />
Brill erweckt durch seine Fragen den Eindruck, sehr gut über die Details der Affäre informiert<br />
zu sein. War Stennes der Informant von Brill? Warum wurde Stennes überhaupt <strong>als</strong><br />
Zeuge geladen, da er doch mit dem Einbürgerungsversuch gar nicht befaßt war? Diese Frage<br />
spricht für die These, daß Stennes ein Agent war, der Zugang zum inneren Zirkel der NSDAP<br />
gefunden hatte. Aus der Vernehmung der drei Zeugen, insbesondere des Informanten Stennes,<br />
geht hervor, daß die Frage der Einbürgerung in der NS-Führung im Sommer 1930 ein wichtiges<br />
Thema war und die Befürchtung bestand, daß Hitler <strong>als</strong> Staatenloser ausgewiesen wird.<br />
Dies hatte die Bayerische Regierung bereits 1924 ernsthaft erwogen hatte. Angesichts des<br />
politischen Aufstiegs der NSDAP wuchs der <strong>Dr</strong>uck, die Einbürgerungsfrage rasch zu lösen.<br />
Auch deshalb war es für die Partei nötig, irgendwo an der Regierung beteiligt zu sein. Die<br />
Braunschweiger Koalition bot diese Möglichkeit, nachdem die thüringische Koalition geplatzt<br />
war. Angesichts der Bedeutung der Frage sind die Behauptungen Hitlers, sich nicht mehr an<br />
die Details der Vorgänge zu erinnern, unglaubwürdig.