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nicht abgerissen sind. Boden fürchtet Probleme in der Zusammenarbeit mit Hitler und mit<br />
dem SPDgeführtem Anhalt. Verabredet wird, daß die Tätigkeit Hitlers keinen Einfluß auf die<br />
Gesandtschaftstätigkeit haben darf. Küchenthal verlangt die Rückendeckung bei der Reichsregierung<br />
und der Preußischen Regierung. Der preußische Bevollmächtigte beim Reichsrat<br />
und Staatssekretär des Preußischen Ministerpräsidenten, Weissmann (SPD), wird telephonisch<br />
kontaktiert und erklärt gegenüber Boden im Beisein von Küchenthal, daß Preußen die<br />
Einbürgerung über die Verbeamtung vorziehe, weil man so nicht mitwirken muß.<br />
In der Darstellung von Boden 1945 ging es allerdings darum, einen letzten Versuch zu machen,<br />
die Einbürgerung doch noch über den Reichsrat zu erreichen, um die braunschweiger<br />
Verbeamtung zu vermeiden, was Weissman abgelehnt hat. Dies bestätigt auch eine Meldung<br />
der Braunschweiger Neuesten Nachrichten vom 26.2.1932. Hier wird allerdings <strong>als</strong> Begründung<br />
angeführt, daß die Zeit für einen regelrechten Einbürgerungsantrag zu knapp geworden<br />
sei. Boden bietet am Ende an, nach der Vereidigung Hitlers zurücktreten zu wollen, was Küchenthal<br />
ablehnt.<br />
Die konspirative Art des Treffens Küchenthal – Boden und der Versuch, in letzter Minute<br />
doch noch den Reichsrat einzuschalten, deuten darauf hin, daß die Einbürgerung bis zur letzten<br />
Minute wie eine heiße Kartoffel hin und her geschoben wurde. Schon dam<strong>als</strong> wollte niemand<br />
verantwortlich sein, weil allen klar war, daß es sich trotz des legalen Anstrichs um ein<br />
Scheingeschäft handelt mit unabsehbaren politischen Konsequenzen. Die Einbürgerung ganz<br />
zu verhindern, hat sich offenbar niemand mehr getraut. Boden und Küchenthal gingen offenbar<br />
anfänglich von einer regelrechten Tätigkeit Hitlers aus oder taten untereinander so, sonst<br />
ist das Rücktrittsangebot Bodens nicht erklärlich. Die späteren Darstellungen von Küchenthal<br />
und Boden über das Treffen stimmen weitgehend überein. Boden wird erst 1945 erklären,<br />
daß die gesamte Angelegenheit von Seiten der NSDAP „von vornherein nichts anderes…<strong>als</strong><br />
Lug und Trug“ gewesen sei. Waren die Herren wirklich so naiv, dies nicht sofort zu erkennen?<br />
Küchenthal hält anschließend Rücksprache mit Staatssekretär Zarden, Reichsfinanzministerium,<br />
von dem er nach Braunschweig beurlaubt ist, um die Garantie zu erhalten, daß seine Beurlaubung<br />
weiter bestehen bleibt und er im Zweifelsfalle in seine alte Position zurückkehren<br />
kann.<br />
Dies ist ihm offenbar zugesichert worden. Dahinter steht die Sorge, daß seine Unterschrift<br />
unter die Ernennungsurkunde mit der Entlassung aus dem Reichsfinanzministerium sanktioniert<br />
wird. Auch im Falle seines Sturzes in Braunschweig nach einem Machtwechsel will er<br />
eine Rückfallposition behaupten. Der Vorgang macht deutlich, daß Küchenthal sich der Konsequenzen<br />
der Einbürgerung Hitlers bis hin zum kompletten Machtwechsel vollkommen bewußt<br />
war und daß es ihm, wie vermutlich auch allen anderen Beteiligten, auch immer darum<br />
ging, welche persönlichen Konsequenzen daraus resultieren. Küchenthal benötigte die Rückfallposition<br />
später nicht, da er nach der Ablösung durch Klagges mit dem Posten des Braunschweigischen<br />
Staatsbankpräsidenten abgefunden wurde!<br />
Der Haushaltsausschuß des Landtages bewilligt, ohne Teilnahme Küchenth<strong>als</strong>, der in Berlin<br />
ist, die gerade gestrichene Regierungsratsstelle beim Kultur- und Vermessungsamt mehrheitlich.<br />
Obwohl noch kurz zuvor geplant war, sogar die Gesandtschaft aus Kostengründen zu schließen.<br />
Der Landtag wird den Antrag des Haushaltsausschusses am 1.3.1932 genehmigen.