Download als *.pdf; 863 kB - Prof. Dr. Ulrich Menzel
Download als *.pdf; 863 kB - Prof. Dr. Ulrich Menzel
Download als *.pdf; 863 kB - Prof. Dr. Ulrich Menzel
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
73<br />
Goebbels war offenbar bis zum Schluß die treibende Kraft in der Kandidatenfrage, während<br />
Hitler zögert. Wegen der fehlenden Staatsbürgerschaft? Wegen des Risikos, daß die Frage<br />
der Staatsbürgerschaft nicht rechtzeitig geklärt wird? Wegen des Risikos, daß die Kandidatur<br />
wegen des Scheingeschäfts, gestützt auf das Kaisenberg-Gutachten, angefochten wird? Wegen<br />
der möglichen Niederlage gegen Hindenburg? Weil er gar nicht Präsident werden will?<br />
Dazu gibt es leider keine persönlichen Aussagen von Hitler. Jedenfalls entsteht durch die öffentliche<br />
Proklamation der Kandidatur Hitlers, bevor die Einbürgerungsfrage gelöst ist, ein<br />
zusätzlicher Handlungsdruck auf die Braunschweiger. Die Blamage würde noch größer, wenn<br />
die Einbürgerung jetzt noch scheitert.<br />
DNVP und Stahlhelm antworten auf die Kandidatur Hitlers mit Bildung des „schwarzweißroten<br />
Kampfblocks“ und der Kandidatur des zweiten Stahlhelmführers Duesterberg, der im Unterschied<br />
zu Seldte Hitler kritisch gegenüber steht. Vor dem zweiten Wahlgang soll erneut<br />
über einen Sammelkandidaten verhandelt werden.<br />
So stehen sich vier Lager im Wahlkampf gegenüber: Weimarer Koalition (Hindenburg) – alte<br />
Rechte (Duesterberg) – neue Rechte (Hitler) – KPD (Thälmann) mit gegensätzlichen Kalkülen.<br />
Bei der ersten Wahl Hindenburgs 1925 wurde er noch von der Weimarer Koalition bekämpft,<br />
die mit Braun bzw. Marx eigene Kandidaten nominierten. So können sich die Zeiten<br />
ändern! Ins Kalkül der NSDAP paßt die Kandidatur von Duesterberg, da dieser Hindenburg<br />
Stimmen entziehen wird. Stahlhelm/DNVP haben in diesem Machtpoker gegenüber Brüning<br />
und Hitler den Kürzeren gezogen. Der eigene Kandidat hat keine Chance. Hindenburg, dem<br />
man eigentlich nahesteht, wird geschwächt. Hitler, den man verhindern will, wird gestärkt.<br />
23.2.1932<br />
Der am 16.10.1931 vertagte Reichstag tritt zusammen, um die von der Reichsregierung vorgeschlagenen<br />
Wahltermine zu bestätigen. Daraus entwickelt sich eine viertägige Reichstagsdebatte,<br />
die den Wahlkampf (Hindenburg versus Hitler) eröffnet. Goebbels erwähnt in seiner<br />
Reichstagsrede bereits die Kandidatur von Hitler, die aber nicht zur Machtübernahme führen<br />
solle, und bezeichnet Hindenburg <strong>als</strong> den Kandidaten der SPD, der seine ehemaligen Wähler<br />
im Stich gelassen habe.<br />
Die DVP weigert sich in einem Schreiben von Brandes an Küchenthal, an einem „Rechtsgeschäft<br />
des Scheins“ mitzuwirken, ist aber grundsätzlich für Einbürgerung.<br />
Dieses Schreiben beinhaltet die grundsätzliche Zustimmung der DVP allerdings mit dem Vorbehalt,<br />
daß strikt legal zu verfahren ist. Demnach muß Hitler im Verständnis der DVP die<br />
Regierungsratsstelle auch ausfüllen und nicht nur den Schein wahren. Das Schreiben sollte<br />
laut Roloff jun. <strong>als</strong> „<strong>Dr</strong>uckmittel“ bezüglich der Legalitätsforderung eingesetzt werden. Entweder<br />
war die DVP naiv oder sie gibt sich einer Selbsttäuschung hin, denn Hitler hat niem<strong>als</strong><br />
ernsthaft erwogen, tatsächlich eine Beamtenstelle auszufüllen. Warum schreibt Brandes diesen<br />
Brief, nachdem der Antrag Wessel in der Fraktion am 21.2. einstimmig beschlossen worden<br />
ist? Gab es doch noch einen letzten Rest von Vorbehalt?<br />
Klagges fährt nach Berlin und bespricht mit Hitler und Frick die letzten Details im Hotel Kaiserhof.<br />
Er informiert anschließend Küchenthal, daß Hitler mit der Regierungsrat-Lösung einverstanden<br />
ist, weiß aber laut Roloff 1961 noch nichts von dem Brandes-Brief.<br />
Goebbels schickt Göring abends nach Braunschweig, der <strong>Dr</strong>uck auf Küchenthal ausübt, um<br />
die Ernennung Hitlers zu beschleunigen. Küchenthal hält Göring weiter hin, der Goebbels<br />
darüber informiert.<br />
So die Erinnerung Küchenthal.