Eine Theologie des Lebens. Dietrich Bonhoeffers - Universität ...

Wüstenberg 04.07. 11.08.2006 13:18 Uhr Seite 107
1. Rezeption des Historismus
Bonhoeffer fordert in dem von W. Dilthey beeinflußten
Brief vom 8. 6.1944 die Anwendung seiner Beobachtung aus
der ›Ethik‹:
»Es gehört zur intellektuellen Redlichkeit, diese (religiöse, R.W.)
Arbeitshypothese fallen zu lassen« (WEN 393).
Einen »salto mortale zurück ins Mittelalter« gibt es nur um
den Preis der »intellektuellen Redlichkeit« (WEN 393f). Der
Begriff der Redlichkeit wird in den Historismus W. Diltheys
eingeordnet und in dem Zusammenhang mit Religion reflektiert.35
Nichtreligiös interpretiert bedeutet nämlich der
biblische Begriff ›Buße‹: »letzte Redlichkeit« (WEN 394).
Hier begegnen wir einem der wenigen konkreten Hinweise
einer nichtreligiösen Interpretation biblischer Begriffe.
Einen weiteren biblischen Begriff ›Verheißung‹ interpretiert
Bonhoeffer nichtreligiös durch das Wort ›Sinn‹: »Der
unbiblische Begriff des ›Sinnes‹ ist ja nur eine Übersetzung
dessen, was die Bibel ›Verheißung‹ nennt« (WEN 426).
›Gott‹/Privileg/Partialität/religiöse Vorstufe : Diese Einzelbegriffe
sollen summarisch behandelt werden, weil sie
gemeinsam ›Widerstand und Ergebung‹ vorbereiten.36
religionskritische Absicht in der Ethik erhalten, die geschichtlich
artikuliert ist.
35) Der Zusammenhang zwischen ›Buße‹ und ›Redlichkeit‹ ist ein Novum
der Tegeler Theologie; vergleichen wir etwa eine Predigt Bonhoeffers
zum Bußtag (vom 19. 11.1933), so fällt auf, daß der Begriff
»Redlichkeit« dort überhaupt nicht begegnet, während von ›Buße‹
häufiger die Rede ist (GS IV 154 f.). Der Zusammenhang zwischen
Buße und Redlichkeit tritt noch nicht in den Blick.
36) Bonhoeffers Rede von den ›letzten Fragen‹ bildet eine gewisse Ausnahme,
weil wir hier einer eindeutigen Diskontinuität begegnen.
1944 schreibt er kritisch, daß »doch immer die sogenannten ›letzten
Fragen‹ – Tod, Schuld – blieben, um deretwillen man Gott und die
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