Eine Theologie des Lebens. Dietrich Bonhoeffers - Universität ...
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Wüstenberg 04.07. 11.08.2006 13:18 Uhr Seite 95<br />
1. Rezeption <strong>des</strong> Historismus<br />
insgesamt anwenden. Wenn er davon spricht, daß die ›Zeit<br />
der Religion‹ oder die ›Zeit der Innerlichkeit und <strong>des</strong> Gewissens‹<br />
vorüber sei, hat er Dilthey vorausgesetzt. Die Tegeler<br />
<strong>Theologie</strong> radikalisiert den Gedanken noch: Nicht eine Unterscheidung<br />
der Religion tritt in den Blick, sondern der<br />
Angriff wird auf den neuzeitlichen Religionsbegriff insgesamt<br />
(und den <strong>des</strong> 19. Jh. im besondern) geführt. Darin wird<br />
auch W. Diltheys (und F. Schleiermachers) Religionsverständnis<br />
nun gleichsam in einem zweiten Argumentationsgang<br />
auch historisch – und nicht allein systematischtheologisch<br />
– kritisiert.<br />
Bleiben wir noch beim Begriff ›Religionslosigkeit‹; implizit<br />
findet sich der Gedanke also in W. Diltheys ›Das<br />
Erlebnis und die Dichtung‹. Wir finden den Begriff aber<br />
auch explizit bei ihm belegt, und zwar in der ›Einleitung in<br />
die Geisteswissenschaften‹ (= Einleitung)18.<br />
Bonhoeffer erwähnt die ›Einleitung‹ explizit in seiner Vorlesung<br />
über die Systematische <strong>Theologie</strong> <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts (= ST20Jh) aus<br />
dem WS 1931/3219. Nach den Ausführungen über die »nachkopernikanische<br />
Welt«, in der »statt ›Glaube‹ das Wort religio aufgetreten<br />
sei, stellt er diese radikale »Individualisierung« in den Zusammenhang<br />
<strong>des</strong> Wissenschaftsbegriffs (DBW 11, 145 f.): »Der Gegenstand<br />
einer Wissenschaft muß in Zeugnissen liegen, es gibt keine Metaphysik<br />
durch das Aufkommen der Naturwissenschaften. Identität<br />
<strong>des</strong> kategorialen Systems mit der Wirklichkeit wird vorausgesetzt:<br />
unwissenschaftliche Wissenschaft. (Erst die Relativitätstheorie und<br />
die Quantentheorie hat dies umgestoßen). Keine Wissenschaft<br />
konnte sich dem entziehen: Geschichtswissenschaft, Philosophie,<br />
Psychologie und Soziologie. In der Wende zum 20. Jahrhundert wird<br />
18) Erschienen als Ges. Schr. Bd. I, 2. Aufl. 1922.<br />
19) Vgl. DBW 11, 146, vgl. die Anm. 31 <strong>des</strong> Herausgebers, E. AMELUNG.<br />
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