Eine Theologie des Lebens. Dietrich Bonhoeffers - Universität ...

Wüstenberg 04.07. 11.08.2006 13:18 Uhr Seite 140
Lebensphilosophie und ›nichtreligiöse Interpretation‹
Bei der Lektüre des Dilthey-Bandes ›Weltanschauung
und Analyse‹ wird Bonhoeffer chronologisch vorgegangen
sein. So zeigte sich, daß etwa die Zitate von G. Bruno über
den Freund und von B. de Spinoza über die Affekte in den
»Gedanken über Verschiedenes« (WEN, 408) aus dem Ende
des Bandes stammen (WuA, 341 f.). Bonhoeffer zitiert diese
Sätze im Juli 1944, also auch am Ende seiner Dilthey-Lektüre.
Wir können damit rechnen, daß zu dieser Zeit der ganze
Dilthey präsent ist. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang
auch die Nennung des Philosophen und Naturwissenschaftlers
G. Cardano in ›Widerstand und Ergebung‹
und in ›Weltanschauung und Analyse‹.
E. Bethge weist seinen Freund in einem Brief Ende April
1944 auf die Bedeutung von Cardano hin (vgl. WEN, 299 f.).
Bonhoeffer antwortet Bethge Anfang Mai 1944, also am Anfang
der Lektüre von ›Weltanschauung und Analyse‹: »Den
Cardano kenne ich gar nicht. Gibt es den auch auf deutsch«
(WEN 315). Mitte Juni heißt es dann gegenüber E. Bethge
beiläufig: »Übrigens steht bei Dilthey viel über Cardano«
(WEN 366). G. Cardano wird in W. Diltheys Band erstmals
auf der Seite 284 erwähnt.28 Daraus ist unmittelbar abzuleiten,
daß Bonhoeffer Mitte Juni bereits über die Hälfte –
wenn nicht mehr – aus ›Weltanschauung und Analyse‹ bearbeitet
hat, während er Anfang Mai ganz offensichtlich am
Beginn der Dilthey-Lektüre steht, jedenfalls auf die Ausführungen
über den Renaissancephilosophen noch nicht gestoßen
ist.
28) Ausführlicher spricht W. Dilthey über G. Cardano dann in ›Weltanschauung
und Analyse‹, 416 f. und 429 ff. Da D. Bonhoffer sagt, er
lese viel über den Philosophen, ist es auch denkbar, daß er schon
diese späten Stellen vor Augen hat.
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