Eine Theologie des Lebens. Dietrich Bonhoeffers - Universität ...

Wüstenberg 04.07. 15.08.2006 14:24 Uhr Seite 130
Lebensphilosophie und ›nichtreligiöse Interpretation‹
1. Die Bedeutung des Lebensphilosophen
J. Ortega y Gasset
Bevor Bonhoeffer im Frühjahr 1944 beginnt, systematisch
W. Dilthey zu lesen, hat er seit 1943 Werke des spanischen
Lebensphilosophen José Ortega y Gasset in die Tegeler Zelle
bestellt; daneben erwähnt und liest er Philosophen und
Dichter, die in das Umfeld der Lebensphilosophie1 gezählt
werden, wie C. F. Meyer (WEN 102), F. Nietzsche und S. Kierkegaard
(etwa WEN 257), L. Feuerbach (WEN 393), M. Heidegger
(WEN 92)2, J. W. Goethe (etwa WEN 258), L. Klages
(WEN 257), F. Hölderlin (WEN 363)3 und J. Pestalozzi (WEN
437 f.)4. Daneben liest und zitiert Bonhoeffer ausgiebig A.
Stifters ›Witiko‹.
Am 4.10. 1943 bestellt er in einem Brief an die Eltern
zwei Aufsätze von J. Ortega y Gasset in die Tegeler Zelle:
»System der Geschichte« und »Vom römischen Imperium«
(WEN 136). Am 26. 4.1944, also ein halbes Jahr später, schreibt
1) Vgl. zum Folgenden O. F. BOLLNOW, Die Lebensphilosophie, Berlin
et al. 1958.
2) Heidegger wird nur am Rande in Tegel erwähnt; explizit in einem
Brief des Vaters. Grundsätzlich nimmt aber die »Existentialontologie
lebensphilosophische Ansätze auf und führt sie fort (so O. F.
BOLLNOW, op. cit. 129). Zum Problem der Abgrenzung von Existentialismus
und Lebensphilosophie vgl. H. FAHRENBACH, Lebensphilosophische
oder existenzphilosophische Anthropologie?
Plessners Auseinandersetzung mit Heidegger, in: Dilthey-Jahrbuch
VII, 1990/91, 71–111.
3) Hier zitiert Bonhoeffer: ›Wer das Tiefe gedacht, liebt das Lebendigste‹.
Über F. Hölderlin im Kontext der Lebensphilosophie vgl. O. F.
BOLLNOW, op. cit. 103.
4) Über dessen Bedeutung für die Lebensphilosophie vgl. O. F. BOLL-
NOW, op. cit. etwa 60 f.
130