Eine Theologie des Lebens. Dietrich Bonhoeffers - Universität ...
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Wüstenberg 04.07. 11.08.2006 13:18 Uhr Seite 132<br />
<strong>Lebens</strong>philosophie und ›nichtreligiöse Interpretation‹<br />
uns mit Bedacht zu betragen, mit Bedacht vor der transzendenten<br />
Wirklichkeit, ist der genaue Sinn, den das Wort religio<br />
für die Römer hatte, und es ist wahrhaftig der wesentliche<br />
Sinn einer jeden Religion«10. Dabei bedeute Religion<br />
nicht ein »Gebundensein <strong>des</strong> Menschen an Gott«, sondern<br />
schlicht »gewissenhaft« im Sinne von »religiosus«, »also wer<br />
sich nicht leichtsinnig, sondern bedächtig verhält«11. Religion<br />
als Gewissensreligion bekommt so eine Bedeutung für<br />
das politische Leben. »Die Begriffe <strong>des</strong> Glaubens und <strong>des</strong><br />
Staates durchdringen einander. In der Politik gibt es Epochen<br />
der Religion und solche der Nachlässigkeit, <strong>des</strong> Bedachten<br />
und der Unbedachtsamkeit, der Gewissenhaftigkeit<br />
und der Frivolität« (ibid).<br />
J. Ortega y Gasset rechnet offenbar in der Geschichte<br />
auch mit einer Zeit ohne Religion, d. h. in seinem Sprachgebrauch<br />
mit einer Zeit »der Nachlässigkeit«, »der Unbedachtsamkeit«<br />
und »der Frivolität«. Religion ist also eine geschichtliche<br />
Größe, die zu bestimmter Zeit in Erscheinung<br />
tritt und zu anderer ausbleibt, weil ›religio‹ für J. Ortega<br />
y Gasset kein »Gebundensein <strong>des</strong> Menschen an Gott«<br />
schlechthin meint, also keine anthropologische Gegebenheit<br />
bedeutet (ibid). Solange der Mensch sich »gewissenhaft«<br />
und »bedächtig verhält«, ist er religiös. »Das Gegenteil<br />
von religio ist negligentia« (ibid).<br />
Bonhoeffer hat möglicherweise Impulse für seine Betrachtung<br />
der Religion als historische Größe min<strong>des</strong>tens<br />
10) In: Ges. Werke IV, 427 ff.<br />
11) Ibid, 428.<br />
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