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vollständig als pdf - Dr. Martina Schäfer, St. Gallen

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100nichts mehr geht." Dann sprang ich, kraulte los, und das kalte Wasser zerschlug meinenMagen, zerkrampfte die Füsse. Ich schwamm an Franks Leine entlang, so rasch es ging.Dann tauchte er neben mir auf, die blauen Lippen schlugen aufeinander, und erschüttelte den Kopf."Lass es, Johanna. Die Frau ist untergegangen. Ihre Augen waren bereits geschlossen.Der junge Mann hielt sie nur noch über Wasser. Dann ist sie abgerutscht, kurz, ehe wirkamen." Er zitterte und schlug mit den Armen um sich. "Komm' zurück!"Ich holte tief Luft. Sie war kalt und feucht wie das Wasser selber und schnitt durchmeine Bronchien bis in die letzten Verästelungen. Es ist schon eine Sache imGummianzug in solch kaltem Herbstwasser zu schwimmen, auch wenn die Ostseemilder ist, wie andere Meere und der heutige Tag nicht so rau. Aber ohne einen solchenSchutz hält ein Mensch das nur sehr kurze Zeit aus. Man nimmt an, dass ein gutgenährter Körper maximal dreissig Minuten mit heftigen Bewegungen im Wasseraushalten kann. Der Fremde, den wir herausgezogen hatten, war schmal undausgemergelt gewesen. Den atemlosen Kopf in dieses Wasser zu stecken, ausgepumptvon heftigem Kraulen, in eine dunkle Tiefe von drei oder vier Metern mit eins bis nullGrad abzutauchen, ist dann noch etwas anderes - - und doch tat ich es, ich weiss bisheute nicht, warum...Als läge dort auf dem Meeresgrund eine der Antworten auf meine Frage, die Antwort,was mit verratener Liebe geschieht und die Antwort auf mein zweifelndes Weitergehen.Ich hing an einer Leine, die von jenem Mann gehalten wurde, mit dessen Frau ich einVerhältnis hatte. Frank war längst zurück geschwommen, doch ich tauchte hinab und eswar, <strong>als</strong> rissen mir tausend kalte Hände an meinen Ohren, <strong>als</strong> schlügen mir Eisplattengegen meine abwärts gerichtete Hirnschale. <strong>Dr</strong>ei bis vier Meter sind eigentlich nicht viel;jedes Schwimmbecken kann tiefer sein. Ich hatte in meinen besten Jahren sieben Meterund mehr ertaucht. Aber es war, <strong>als</strong> bremsten die kalten Wassermassen meine Muskeln,<strong>als</strong> griffe mich das Eis, meine Bewegungen verlangsamten sich, <strong>als</strong> läge ich im Griffeines riesigen, kalten, harten Monsters. Vorsichtig kroch ich unten über den Sand, ummeine Sicht in dem sowieso nebeldunklen Wasser nicht noch mehr zu trüben. Und dannsah ich, weit vor mir, den schwarzen Schatten: Vielleicht Tang, vielleicht eine Tonne ausvorpatriarchalen, Umwelt verseuchenden Zeiten, vielleicht...?Ich musste auftauchen. Langsam trat ich das Wasser, beruhige meinen Atem, holte Luftund tauchte erneut und erkannte die menschliche Gestalt ausserhalb der Reichweite desSeils.Ich hakte das Seil los, schwamm zu ihr, packte, was ich gerade greifen konnte undstiess mich kräftig nach oben hin ab. Es ging! Das Wasser biss in meine immer nochempfindliche Schulter und ich spürte, wie mich ein Krampf im Arm daran hindern wollte,die schlaffe Gestalt fester zu greifen, die, fast wie von alleine, nach unten RichtungGrund wieder davon sackte. Ich fasste nach, der Schmerz fuhr mir von der Schulter bisin den Kopf, mein Schädel platzte, mein Mund wollte sich öffnen zu einem tiefenAtemzug. Obwohl ich noch mindestens einen Meter unter der rettendenWasseroberfläche war.Dann stiess ich hindurch, schnappte nach Luft statt nach Salzwasser und hob den Kopfder Fremden über die See. Ihr Haar war über den ganzen Schädel hin abrasiert, undeine Nummer schimmerte direkt vor mir auf, die in die Schädelhaut eingebrannt war

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