16Atem rauben konnten. Das gleiche galt für Versuche, hoch zu hüpfen oder in Bauchlageunter den Elektroschranken durchzurobben. Neue und Neugierige, die die unsichtbarenGrenzen ihres Aufenthaltsortes noch ausprobieren mussten, liessen das schnell bleiben.Zugunsten der Institution muss gesagt werden, dass immer, in Sekundenbruchteilennach Erhalt des <strong>St</strong>romschlages ein Erste-Hilfe-Kommando zur <strong>St</strong>elle war, um die leichtenVerbrennungen der Schienbeine oder die Kreislaufstörungen infolge des <strong>St</strong>romschlages,so schnell und so gütig es irgend ging, zu behandeln.Die Ordonanzen führten mich durch die verschlungen Wege zwischen Hecken,blühenden Büschen, kleinen Baumgruppen und Bungalows, die allesamt den freien Blickauf die Ferne verstellten, hindurch. Ich schielte hin und wieder zu ihnen hinüber, umirgendwie festzustellen, auf welche Art und Weise sie sich wohl in dieser verwirrendenEinfalt zurechtzufinden vermochten. Mit einer gewissen, unbehaglichen Unruheerwartete ich die <strong>St</strong>elle, da sie mir die berüchtigten Kniebänder umlegen und mich inderen Gebrauch, besser, Nicht-Gebrauch, einführen würden.Erinnerungen an das Jahr 69 ( 2069 n.d.Zt.)Unsere Mutter war Putzfrau, ein hoch geehrter Beruf im nachpatriarchalen Zeitalter. Sie rutschtenicht für wenig Geld über die zugigen <strong>St</strong>einfliesen schlecht beleuchteter Grossstadtvillen,sondern scheuerte, nie alleine, immer mit einer ganzen Gruppe ihres <strong>St</strong>andes zusammen, dieSäulen und Marmormosaike der städtischen Tempel und Kultanlagen. Sie pützelte dieungezählten, vielfarbigen Scheiben der Glasfenster, sie staubte, oft unter allgemeinem Kichernund Lachen ihrer Kolleginnen, die Brüste, Hälse oder segnenden Hände der <strong>St</strong>atuen ab. Ja, unserePutzkolonnen übernahmen sogar leichtere Restaurations- oder Malereiaufgaben in denHaupttempeln der <strong>St</strong>adt.Es gab, da die menschenfeindliche Technologie auf ein Mindestmass beschränkt worden war,genügend Arbeit für alle Hände, und von schlechter Bezahlung konnte deswegen keine Redesein, da die meisten öffentlichen Funktionen von den geheiligten Top Sieben über das Parlamentbis hinunter, hinüber zu den Putzkolonnen der Tempelanlagen eben in den allgemeinen undfreien Warenumtausch eingeschlossen waren, was freies Wohnen, Essen, Bekleidung und soweiter für alle garantierte: Im Falle meiner Mutter das Reihenhäuschen in der Sippenstrasse undein rundum gesichertes Auskommen für sie und ihre vier Mädchen: Mich, die Aelteste, im Jahr60 nach der Zeitenwende geboren, das Jüngste, kurz vor der Menopause meiner Mutter im Jahr68 und im Alter in der Mitte dazwischen 64 geboren, die Zwillinge.Wir waren, ausgehend vom gemütlichen Vernehmungsbungalow, schon recht weit indas Gewirr der verschlungenen Wege unter den blühenden Rhododendrenbüscheneingedrungen. Hin und wieder bedeuteten die Ordonanzen mir, stehen zu bleiben. Dannstülpten sie rasch eine dunkle Kapuze über meinen Kopf, drehten mich mehrm<strong>als</strong> um dieeigene Achse, führten mich rechts oder links einen Weg hinab und befreiten michanschliessend wieder für eine Weile von dieser Kopftüte.Auf die Fussbänder wartete ich vergeblich. <strong>St</strong>attdessen stand ich plötzlich, nachdem sieaberm<strong>als</strong> das Versteckspiel mit der Mütze zelebriert hatten, vor einem hohen, festgeschmiedeten Tor, das in einer circa zweieinhalb Meter hohen Mauer war, auf deren
17Krone ich das tückische Glitzern in Beton eingelassener Glasscherben erkennen konnte.Diese wirklich altmodische Verwahranlage entlockte mir einen Ausruf des Erstaunens,und die Ordonanzen lächelten wissend in sich hinein."Ehre, der Ehre gebührt!" murmelte die eine leise, während sie, tatsächlich mit einemgrossen Schlüssel das Tor öffnete, das glücklicherweise nicht in den Angeln quietschte,was ich auch wieder für sehr übertrieben gehalten hätte."Voila! Villa Garbo!"Mit einladender Geste zog die Ordonanz das Tor beiseite und lud mich ein, näher zutreten.Das Gelände erinnerte an einen verwilderten Klostergarten, durch dessen dichtesGestrüpp und Unterholz viele, kleine Trampelpfade liefen wie Wildfährten in einemWald. Dieser circa hundert Meter breite <strong>St</strong>reifen wurde dahinter aberm<strong>als</strong> von einerungefähr zwei Meter hohen, glatten Betonmauer begrenzt, die allerdings keineGlassplitterzacken auf ihrer Krone trug.Die höfliche Ordonanz war meinen Blicken gefolgt:"In dem <strong>St</strong>reifen zwischen den Mauern lassen wir ein Rudel Doberfrauen freiherumlaufen.""Wie bitte?" Ich starrte sie verdutzt an."Hunde! Scharfe Hunde! Die Sklavenhalter des Patriarchats benutzten sie bereits, mannannte sie dam<strong>als</strong> 'Dobermänner'. Aber wir haben ja doch die meisten Patriarchalismenaus unserer Sprache entfernt! Der Göttin sei Dank!""Und den Grossen Sieben auch!" echoten die anderen drei Ordonanzen und vollführtendie rituelle Demutsgeste von der <strong>St</strong>irne zur Brust hin.Ich pfiff auf die Demut und starrte unruhig in das Unterholz hinein, <strong>als</strong> sie mich zurgegenüberliegenden Mauer führten. Sie pufften mich, wie immer, wenn ich denallgemeinen Gruss verweigerte, unwillig in die Seite.Das innere Tor lag mehrere Schritte seitlich versetzt in der Mauer, was auf jeden Fallden Weg durch das Gelände der streunenden Hundemonster verlängerte. Es warwesentlich niedriger und schmaler <strong>als</strong> das äussere Tor, ja, eigentlich nur eine Türklappe,die nun mit einem seltsamen Pfeifton aufsprang. In der Ferne hörte ich das erste Maldie Hundemeute jaulen, und ich zuckte unwillkürlich zusammen."Gut - was? Der Pawlow'sche Reflex. Jeramaja ab Sarga-" die rituelle Ehrfurchtsgesteerfolgte aberm<strong>als</strong>. "war sehr tierlieb und studierte Verhaltensforschung, Biologie und soweiter. Sie hat die ganze Anlage hier eingerichtet. Der Göttin sei Dank!""Und den Grossen Sieben auch!" tönte es im Chor.Jeramaja Alldott ab Sarga, eine der Vor-Vorgängerinnen der jetzigen Magna Matres,zweite Generation, auch Adoptivtochter einer lesbischen Partisanin aus denspätpatriarchalen Umstürzen wie meine Mutter, weshalb sie die allgemeineTochterbezeichnung `all-`trugen, was sie <strong>als</strong> Kinder `aller Frauen` bezeichnete. AufAbbildungen immer im Kreise ihrer jeweiligen Lieblingstiere zu sehen: Katzen, Hunde,Ziegen oder Geparden!Direkt hinter der Türe führte eine schmale, hühnerleiterartige Schräge hinauf in einemSchacht, und ich starrte die Ordonanzen verdutzt an."Der Eingang oder Ausgang ist so konstruiert, dass frau nur kriechend, Kopf oder Fussvoran, hindurch kommt. Das Türchen ist nur durch einen Hebel weit oben zu öffnen,
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