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vollständig als pdf - Dr. Martina Schäfer, St. Gallen

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75hier praktizierten Christentum zu tun wie die Liebe von Frauen mit spätpatriarchalerGewalt: Ich hatte seit mindestens einer Woche nicht mehr an Maya gedacht! Ihr Bildschien wie versunken und ich gab mir innerlich einen lächelnden Puff: Ist es vielleichtnicht doch so, Johanna Helgesdott, kaum hast du wieder halbwegs normale,menschliche Gesellschaft, relativiert sich die schönste romantische Geschichte undschmilzt wie Schnee im Frühling?Ella rief gedämpft durch das Haus:"Essen fertig!"Und kaum blicken deine eigenen Augen wieder in andere, sind die hehren, grossenEwigkeitsgefühle, für die du immerhin bereit warst, allerlei auf dich zu nehmen, denBach herunter! War es das denn wert? Und die leblose Uniformpuppe auf demFlachdach unter dir?Natürlich erhielt ich hier auf Udars keinerlei konspirative Liebes- oder Abschiedsbriefemehr, die meine Gefühle weiterhin wach halten konnten.Aber irgendetwas in mir begann zu ahnen, dass es vielleicht noch um mehr gegangenwar <strong>als</strong> um das reine Begehren und die jugendlichen Verliebtheiten untereinander. Aberdass ich das nicht so gleich fassen konnte, ja, dass es vielleicht einiger weitererVerliebtheiten bräuchte, um, wie im Kontrast dazu, jene Geschichte zwischen MayaMargasdott ab Sarga und Johanna Helgesdott weiter und tiefer verstehen zu lernen.Vielleicht ging es gar nicht so sehr um uns beide <strong>als</strong> einzelne, isolierte Trägerinnenbestimmter Nahmen oder Funktionen sondern eher um das, was die Macht mit solchenisolierten Personen tun kann, die noch dazu ihre Liebe in die Schleier seltsamerHeimlichkeiten packen müssen.Ich hätte gerne gewusst, wie es Maja ging, was sie fühlte und dachte und ob die Gütedes Lebens ihr ebenfalls die heilsame Begegnung mit anderen, freundlichen Menschenermöglichte?Auch nach meinen konspirativen Freundinnen sehnte ich mich, nach ihren Plänen undnächtlichen Klettertouren, den subversiven Flugblättern und erlauschtenTempelgeheimnissen.Heimweh überkam mich, wenn ich Ella mit ihren Kindern sah, Heimweh nach derdämpfigen Küche meiner Mutter, ihren breiten, sicheren Hüften, den frechen Zwillingenund dem ewig verklebten Kleinstmädchen zwischen ihnen.In der Untersuchungshaft und in der Villa Garbo waren die Ereignisse so schrecklich,dass es keinen Raum mehr in mir für diese Gefühle gab, da Abscheu und Einsamkeitalles andere frassen. Doch hier, wo das Leben zwar seltsam und schwierig aber nichtbedrohlich war, fanden sie wieder ihre Wege durch meinen Körper und mittlerweileweckten die Erinnerungen an meine Schwestern, meine Mutter ebenso diesen stillenKrampf hinter der Nase, wie jene an Maja selbst.Wirklich, Udars' ambivalente Gegenwart tat mir gut. Als ich nun die Beine unter derDecke hervorzog und mich schwungvoll auf dem knarzenden <strong>St</strong>rohsack aufrichtete,probierte ich den Wunsch in mir aus, wie es denn wäre, wenn Sie hereinkäme, michmorgendlich mütterlich weckend, nicht <strong>als</strong> lachende Freundin über diese Langschläferin,sondern in einem dunkelrot-flauschigen Morgenmantel, wie ihn die Leute hier in dieserGemeinschaft sicherlich seit drei Generationen nicht mehr gesehen hatten: Ein Mantel,der von den Schultern des nackten Körpers glitte mit jener Geste des "Komm' her und

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