80die überall im Äusseren unserer Frauenkultur nach Gründen für diese Unruhe fahndetenund sie auch fanden, die demonstrierten und Pflastersteine warfen, um den fraglosenKrampf in Aktionen umzusetzen, alles mit wenigen Worten, denn das Gefühl war da, wieeine Fata Morgana: Nicht zu greifen oder in Auflösung bereits, wann immer ich meinte,nun konkret etwas im süsslichen Wüstengeflimmer erkennen zu können.Lange glaubte ich, meine Eigenwilligkeit mache mich eben scharfäugiger für dieUnebenheiten der Umgebung, die kritischen Querbemerkungen meiner Mutter, bereitsim unbewussten Kleinkindalter aufgesogen, hätten mich sehen und gehen gelehrt. Aberes musste anders gewesen sein: Das Gefühl und der Krampf waren bereits da, warenimmer da und umgaben uns alle <strong>als</strong> verseuchte Luft, der Krampf stiess dieBemerkungen meiner Mutter hervor, und der Krampf war es, der mich in den friedlichenInnenhöfen häufiger nachfragen liess <strong>als</strong> unseren Lehrerinnen wohl lieb war.Doch wann hatte das begonnen?Waren wir bereits hinein geboren, unsere Mütter, unsere Grossmütter, dierevoltierenden Ahninnen? Doch was hiesse dann diese Revolte und warum blieb alles indieser unbenennbaren Unruhe, diesem Krampf ohne Worte, dem Unruhigsein?"Dass wir nicht fragen können -" hatte Maya einst gesagt, <strong>als</strong> wir auf einer unsererheimlichen Wanderungen in einer Höhle lagen und den <strong>St</strong>ernenhimmel betrachteten."Aber ihr dürft Vieles nicht. Das hier zum Beispiel, Frau Elevin: Mit der konspirativenPutzfrau durchbrennen.""Ja." Sie rückte ungeduldig von mir ab und setzte sich auf. "Ja. Aber das lässt sichbenennen! Eines Tages werde ich das <strong>als</strong> altmodischen Regelkram abschaffen. Dochdavor liegt etwas anderes, und ohne das lässt sich eben keine Regel ausser Kraftsetzen. Versteh' mich recht - Jo! Nicht k ö n n e n ! Das gefällt mir am wenigsten, wenndu mich fragst."Ihr Körper sass <strong>als</strong> dunkler Schattenriss vor dem helleren Höhleneingang und ich strichleise über den langen Rücken herab, der im Schatten war und dessen raue Haut ichPore für Pore in der kühlen Nachtluft erschauern fühlte. Es war eben nicht nur dasBegehren allein, sondern das Begehren-K ö n n e n , diese milde Süssigkeit, die alleineimstande zu sein schien, jene unbefragbaren Krämpfe für Momente aufzuheben, so, wiewir vielleicht eines Tages auch durch das richtige Fragen-Können die schmerzendeWortlosigkeit überwinden würden und die flauen Gefühle in den Mägen in Nichtsauflösen, in die klaren Gefühle eines kühlen und heraufdämmernden Morgens.Merkwürdigerweise war dieses Gefühl in Udars erst wieder in Pater JohnsKlassenzimmer so richtig aufgeflammt: <strong>Dr</strong>aussen, in der männlichen Dorfversammlungund im Kreis der spinnenden Frauen war ich ein feuchtes Bündel aus Trotz und Ironie.Aber weder die Malzkaffee schlürfenden Patriarchen noch die schwarzberockten Frauenhatten jenen Ekel so unzweideutig wieder in mir wachgerufen wie Pater Johns Spielchenmit den ihm anvertrauten Kindern.Das fromme Dorf lag ausserhalb meiner bisherigen Erfahrungswelten, war in sich fremd,ein wenig verrückt in meinen Augen, ein Ort, dem tatsächlich einmal schreibendeNeugierde gebührte, wenn auch in anderem Sinne <strong>als</strong> sich das die heiligen Herrengedacht hatten: Lebendige Geschichte, eine altmodische Gemeinschaft, in der ich halthin und wieder meine eigenen Rechte wahren musste, um nicht, möglichst mit einemfrommen Gebet auf den Lippen, unterzugehen.
81Doch dieses Klassenzimmer, das war etwas anderes! Trotz <strong>St</strong>uckverzierung, Kreidetafelund verkratzten Schulbänken war es so etwas wie die freien Innenhöfe meiner eigenenMädchenzeit. Es zerquälte kein Wind die Konzentration, aber es rumorte etwas ähnlichUngreifbares wie Wind zwischen den hohen Wänden, die nun nicht mehr Schutz warenund Raum für das kindliche Moratorium, sondern Begrenzungen und Linien, innerhalbderer sich das Fragen-Können verflüchtigte in jenes Gefühl aus Ekel, Angst undkrampfhaftem Schrecken zugleich.Auch uns hatte man das Fragen verboten und die Fähigkeit genau das zu merkenausgetrieben.Und erst durch den wahrlich seltsamen Privatunterricht durch meine Peinigerin in derVilla Garbo hatte ich es wieder gelernt.Ich konnte Pater John durchschauen, da seine Seele derjenigen meiner kessschmierigenHusarenuniformträgerin glich. Ihre Verbrechen ähnelten sich mit demgrossen Unterschied, dass ich einen Spiess umdrehen konnte, von dessen Existenz dieKinder hier nicht einmal eine Ahnung hatten.Aber dieser tiefer liegende Ekel? Jener vor dem Erlebnis der öffentlichen Opferriten,jener vor meiner Welt, die mich aufgezogen hatte selber? Konnte es sein, dassMenschen, die zu opfern bereit sind auch sonst bereit sind zu jeglicher Form vonVergewaltigungen? Und dass Maja, indem sie sich auf die Macht einliess ebenfalls dazuwürde: Bereit, die schmierige Uniform der Machtmissbraucher zu tragen? Ab wann, undes lief mir ein Schauer über die Haut hinab, die sie einst geliebt hatte, wann hatte dieserProzess in ihr begonnen? Schon, <strong>als</strong> ich in ihren Armen lag und das Meer unseren Sitzbenagte wie ein hungriges Tier?Ich hatte sie geliebt und liebte sie noch, wenn man das dunkle Ziel einer vagenSehnsucht so nennen konnte.Aber wen hatte ich geliebt und wer war ich in den Augen der weiss bekleidetenPriesterin? Ihre Retterin oder ihr Opfer? Ihr Ausweg oder der letzte Anstoss insUnvermeidliche?"Ich wollte immer, dass sie mehr lernen und Möglichkeiten haben, woanders zur Schulezu gehen. Aber wo?"Heinrich hatte sich unsere Erzählung angehört. Als Ella von ihrer Schulfreundin sprach,stand er auf und legte seinen Arm um ihre Schultern. "Ihr wart ja auch noch klein.Hättest du mir das doch früher berichtet.""Ich konnte nicht. Ich hatte einmal eine Freundin und habe ihr nicht geholfen. Wie jetztunseren Mädchen. Du hast doch so an ihm gehangen, er war ja wie ein Vater für dich!"Heinrich fuhr sich über den glänzenden Kopf, schob seine Kappe zurück, setzte siewieder auf, liess sich auf dem <strong>St</strong>uhl nieder."Ihr seid wirklich sicher? Johanna, st es nicht so, dass du Pater John, begreiflicherweise,generell nicht leiden kannst?""Lena hat das gleiche erlebt wie Ute." Ellas <strong>St</strong>imme flüsterte nur mehr, Heinrich sahentgeistert von einer zur anderen."Mein Gott!" Er schlug mit der Faust auf den Tisch. "Ich bringe ihn um! Meine Kinder!""Sei leise, sie schlafen. Der Nachmittag war schlimm genug für uns."
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