150und ahnte sie <strong>als</strong> Keim in jeder von uns. Wirklich brechen sah ich sie erst, <strong>als</strong> dieUniformen mich früh morgens holten und ihr Schrei die <strong>St</strong>rasse entlang gellte.Doch wer lässt sie für dich brechen, Maya Margasdott ab Sarga? Dachte ich und schautedie schlafende Priesterin an. Zwischen uns waren sie nie. Nun baust du eine kalteEisenwand um dieses Kind, das du nie wolltest und das von anderen ersehnt ist. Womitwirst du die Gitterstäbe brechen, die sie dich gelehrt haben?Eine kalte Vorahnung griff nach mir, denn ich wollte diese Gitter niederreissen, um michselber aus dem Gefühl abgrundtiefer Sinnlosigkeit zu retten, das mich umher trieb, seitich die Mauern der Villa hinter mir gelassen hatte.Maja schläft, das spürte ich, sie ist nicht die, die dich geliebt hat, sie kann es nicht mehrsein. Sie wollte sich selber töten und die anderen haben das nun geschafft. Rette dieKleine und rette deine Haut! Unten im Park erwarten dich Liebe, Sicherheit, sinnvolleAufgaben, Zeit zum Schreiben, keine Gitterstäbe.Doch dann musste ich sie aberm<strong>als</strong> anschauen. Ja, sie musste keinen Aspiranten mehran sich heranlassen! Sie hatte verzichtet: Auf das Wagnis aber auch auf die Lust. Diesesfremde Kind war ihre Eintrittskarte zu einer ganz neuen Art Lust, deren Vorgeschmacksie sicher schon gekostet hatte.Ich nahm das Kind hoch, das erstaunlich ruhig blieb. Aber vielleicht gaben sie ihm einenPflanzensaft, damit die Priesterin schlafen konnte und Kraft sammeln für den grossenAuftritt? Vielleicht hatte Maja auch selbst solch einen Saft getrunken? Ich schaute überden Kopf des kleinen Mädchens hinüber auf ihr Bett und spürte, dass ich sie trotz Allemniem<strong>als</strong> lassen würde. Nicht alleine da liegen hinter den tausend Gittern ihrer Welt.Nicht <strong>als</strong> eine, die immer und immer die Klinge erheben musste, um diese Gitter zuzerschneiden, um sie für Momente aufbrechen zu sehen im zuckenden Körper desheiligen Opfers, im dumpfen Gestöhn einer im Namen der Grossen Göttinaufgeputschten Menschenmenge.Erst <strong>als</strong> ich auf der Fensterbank sass und das Kind so in dem Tragetuch verstaute, dassich die Hand frei hatte, wandte sie den Kopf, öffnete die Augen und schaute michstumm an."Ich komme wieder. Und dann hole ich auch dich!", murmelte ich und verschwand ausihrem Blickfeld so schnell ich konnte.Während des ganzen Rückweges blieb es hinter mir still, totenstill.Ich erreichte unbehelligt die Efeuecke und kletterte vom Sims herunter."Wie sieht sie aus?" Shulamith trat aus dem Schatten auf mich zu."Sie kommt mir dünner vor wie früher und traurig, so traurig!""Ich meinte natürlich Hannahs Kind!" Shulamith schlug das Tragetuch zurück und lachteleise auf der Parkwiese ob der Ähnlichkeit zu den Eltern, die selbst hier bei Nacht bereitsdeutlich zu erkennen war.Wir liefen zum Wasser herab, schoben den Einbaum wieder ins Wasser und erst weit,weit draussen begann die Kleine, unruhig zu werden. Sie bewegte das Köpfchen undgreinte leise durch die Nacht. Doch dann lullte das leichte, gleichmässige Wiegen desBootes sie wieder ein. Wir mussten ihr nicht, möglicherweise das zweite Mal in dieserNacht, welche das Leben der Kleinen noch einmal verändern sollte wie eine zweiteWiedergeburt, einen nicht gerade kinderfreundlichen Schlaftrunk eingeben.Sie schlief, <strong>als</strong> der Junge Shulamit mit dem Baby auf den Bootssteg half, wir zu zweit
151den Einbaum aus dem Wasser zogen und in Richtung Dorf schlichen.Auf dem Gummen im Jahr 135 ( 2135 n.d. Zt. )Ich erinnere mich an jenen Abschied. Ich konnte Shulamith nicht in die Augen schauen,denn ich war gar nicht so sicher, das, was ich vorhatte, zu überleben. Bisher hatte ichkeinem Mensch erzählt, was ich genau vorhatte.Ich ahnte: Falls ich trotzdem auf irgendeine Weise meine verrückte Aktion überlebensollte, würde Maya dennoch, in gewisser Weise, die einzige Liebe in meinem Lebenbleiben, die alles immer in den Schatten stellen würde, wie Ella das prophezeit hatte.Mein Magen hatte es mir dort auf der Hibiskusinsel bereits gesagt, meine Füsse, die ineine andere Richtung liefen wie die Vernunft, mein Mitleid mit ihrem Schicksal dort aufder Insel, mein Gerechtigkeitsgefühl.Ja, ich hatte mir die Hände schmutzig gemacht. Aber ich hatte auch wieder lebengelernt und geübt, Teile dieses Lebens Anderen zu schenken: Ella und ihrer Familie,Hannah und Jan-San, Shulamith, selbst dem properen Husarenuniformjäckchen, das ichgetötet hatte!Es gab aber einen Teil dieses Lebens, der war nicht zu verschenken, der war meininnerster Kern. Ihn hergeben hätte geheissen, sich aufzugeben und das Band desZurücklächelns und Schenkens abzuschneiden. Da gab es keine schniefende Heiterkeitund keinen kritisch-ernsthaften Blick. Dieser Teil war nicht für Shulamith und auch niefür Ella da gewesen. Dieser Teil war mein Herz, meine Quelle, war das, was sie Mayahatten rauben können, so dass sie es fortan auf ewig zu suchen hatte: Eine krampfhafteSucht in den Brusthöhlen ihrer Kaliopfer!Dort, in dem Zimmer auf ihrem Schloss, fühlte ich: Von meiner eigenen Rettung zuwissen und dann alles nicht daranzusetzen, auch ihr das eigene Herz wiederzugeben,hätte mein Ende bedeutet! Wie konnte ich leben und lieben in einer Welt, die meineerste grosse Liebe hinter Gittern hielt? Wie konnte ich meinen Lieben glauben, mirtrauen, wenn ich meine grosse Liebe beiseite stellte, verdrängte, absperrte, <strong>als</strong> sei sienie gewesen und alles nur eine Jugendsünde, ein dummer Zufall, der mich letztlich neugeboren hatte?Nein, es galt, mein Herz daran zu setzen und ihr die Frage ein zweites Mal zu stellen:"Was wirst du zuerst verändern, wenn sie dich lassen und du die <strong>St</strong>elle einer MagnaMater eingenommen hast?"Ich, Fassadenkletterin, Teil einer konspirativen und Pflastersteine werfenden Bewegungaus unzufriedenen, jungen Frauen, würde einen Weg wissen, diese Frage erneut zustellen: Mit meinem eigenen Herz.Das Nichts in ihren Augen, wie Tate Martin es bereits prophezeit hatte, wäre mehr <strong>als</strong>mein realer, physischer Tod. Es wäre die Erkenntnis, dass alles umsonst gewesen warund dass ich meine Jugend, meine Liebe und mich selbst an die f<strong>als</strong>che Personverschwendet hatte. Alles, was dann daraus folgte, wäre ein Irrtum gewesen, auch dieLieben zu Ella und Shulamith. Denn wie sollte ich mir selber, meinen Gefühlen undÄngsten zugleich, trauen können? Ich wäre tot, selbst aufrecht und auf zwei Beinen, so,wie Maya in diesem Augenblick. Selbst die Beziehung zu der properen Husarin wäre
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