72"Nun, nun, damit macht sie ihrer Mutter viel Kummer! Aber wenn sie lernt, damitumzugehen, wird Gott ihr sicherlich verzeihen. Sie ist ja noch so klein!" murmelte erabschliessend, leckte sich die Lippen und liess nachdenklich seine Hand eine Weile aufAnnas Schulter liegen. Plötzlich hob Erwin die Hand und meldete sich eifrig durchlebhaftes Schnippen mit Daumen und den beiden ersten Fingern."Ihr sollt doch nicht solch einen Lärm machen!" Pater John wandte sich ärgerlich demaufgeregten Jungen zu und kam ein paar Schritte den Gang zwischen den Bänkenherab. "Was gibt es noch, Erwin? Wir wollen endlich richtig mit dem Unterrichtanfangen. Wenn es nichts damit zu tun hat, kannst du dir deine Fragen bis zur Pauseaufheben.""Aber es hat damit zu tun." Erwin warf mir einen mutigen Blick zu. "Also, ich meine, mitdem Gott.""Mit Gott, unserem Herren!" korrigierte John den Jungen."Jaja, <strong>als</strong>o, darf ich jetzt fragen?"Pater John nickte unruhig."Was macht der Gott-" "Gott, unser Herr!" - "ja, <strong>als</strong>o, mit Leuten, die petzen, meine ich,was tut er mit denen?"Pater John stutzte, und ein leichtes Zucken fuhr um seine Mundwinkel. Es war ebennicht so ganz einfach mit diesen Patriarchen, denn im Augenblick spürte ich deutlich,dass er sich das Lachen verbeissen musste."Nun, ich denke, gerne hat er die nicht. Ihr wisst doch, Judas hat Jesus im GartenGezehmaneh verraten, und Er hat ihn bestraft.""Wird Lena dann auch gestraft?" Mischte sich nun eines der Kinder ein, die vorhin"Petze!" gerufen hatten."Ich verstehe euch nicht. Warum?""Weil die ihre Schwester verpetzt hat!" Erwin sprang jetzt aufgeregt hoch. "Und diekann doch nichts dafür. Sie macht das aus Angst. Das sagt die - die Hosenfrau!"Die meisten Kinder lachten laut auf, <strong>als</strong> sie diesen Ausdruck hörten, und Pater Johnklatschte in die Hände."Ruhe, Ruhe! Bei uns muss kein Kind Angst haben. Wilde Tiere gibt es nicht mehr, dennUdars liegt auf einer Insel, und die Männer beschützen alle Frauen und Kinder.""Aber die Hubschrauber von den ungläubigen Frauen...?" Mehrere Kinder warfen mirverstohlene Blicke zu, schliesslich gehörte ich ja doch irgendwie zu denen da, oder?Der Pater zögerte, überlegte kurz, und dann schüttelte er den Kopf."Ihr müsst glauben und Gott Vertrauen, wie wir und eure Eltern auch. Wenn ihr fleissigum seine Gnade betet, wird euch nichts passieren." Er blieb neben Lenas Platz stehen,die mit rotem, gesenktem Gesicht dasass. "Ja, mein Kind, das ist wirklich nicht schön,was ich da höre. Anna ist doch deine Schwester. Willst du freiwillig eine Busse auf dichnehmen, damit unser lieber Herr Jesus, der für uns gestorben ist, die Schuld von dirnimmt?"Das Mädchen nickte eifrig und sah zu der grossen, dunklen Gestalt empor, während sichallmählich ein flaues Gefühl aus meinem Magen heraus über meinen ganzen Körper hinausbreitete."Nachsitzen?" flüsterte sie, und John strich ihr nun über den Kopf, während Lenastillhielt.
73"Ja. Du bist ein gutes, einsichtiges Mädchen." Er tätschelte ihre Schulter und hob ihrKinn an, Lena drehte den Kopf nicht zur Seite. "Gott wird dir deine Sünden verzeihen.Und nun will ich euch allen, zu Trost und Kraft, ein Gebet lehren. Lena wird es dannnach der Schule für jede Bank ein Mal abschreiben." Er ging nach vorne zur Tafel,"Faltet die Hände und steht auf. Ich spreche es euch vor."Die Kinder erhoben sich gehorsam aus ihren Bänken, Erwin und Anna aus der vorderenReihe warfen mir einen neugierigen Blick zu."Ich glaube, ich muss mal rasch hinaus!" murmelte ich und lief auf die rettendeKlassenzimmertüre zu."Wie bitte? Ach so, ja." Pater John begriff, und <strong>als</strong> ich aufatmend die Tür hinter mirschloss, hörte ich seine starke <strong>St</strong>imme intonieren:"Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln, er weidet mich auf grüner Aue..."Ich sass noch neben der Schultüre auf einem <strong>St</strong>ein und spielte müssig mit einemtrockenen Grashalm, <strong>als</strong> Erwin herauskam. Er lächelte mir verschwörerisch zu und liesssich neben mir auf dem Boden nieder."Da kann er nichts machen. Pieseln ist immer eine gute Ausrede.""Du musst auch nicht?""Nee, genau wie Sie.""Woran hast du das gemerkt?""Wenn Leute müssen, rutschen sie immer hin und her. Viele Frauen schlagen die Beineumeinander, ehe sie gehen. Das haben Sie alles nicht gemacht, aber Ihr Blick wurdeimmer böser, und Sie machten einen Mund, <strong>als</strong> hätten Sie Bauchweh! Gibt's bei Ellaalten Gammelkäse?"Ich musste lachen."Nein. Aber du kannst sehr gut beobachten. Erzähl' mal, müsst ihr oft nachsitzen oder<strong>St</strong>rafarbeiten machen?""Manche. Anna und Lena oft, weil die so frech sind.""Und du?""Früher, <strong>als</strong> ich kleiner war. Aber grosse Jungen sitzen fast nie nach. Uns schickt er zuden Schweinen oder arbeiten. Das müssen wir ja sowieso lernen!""Schlagen eure Lehrer euch manches Mal?""Nee. Eure denn?""Weisst du, wir hatten ja Lehrerinnen. Geschlagen haben die uns nie.""Und Nachsitzen und <strong>St</strong>rafarbeiten und so?""Wir hatten eine ganz andere Art Schule <strong>als</strong> ihr, das lässt sich nicht vergleichen. Komm',gehen wir wieder hinein. Die sind fertig mit dem Beten.""Ich glaube, Sie denken, die Kinder haben Angst vor Pater John. <strong>St</strong>immt das?""Ja. Und was denkst du?""Es haben nicht alle Angst. Lena kriegt von ihm, was sie will. Wenn sie nachsitzen muss,verteilt er Plätzchen.""Und Anna?"Er hielt die Türe in der Hand und schaute nachdenklich die Holzmaserung an, fuhr mitdem Finger die <strong>St</strong>reifen entlang, <strong>als</strong> gelte es, eine noch unbekannte Schrift zuentwickeln."Doch, Sie haben recht. Ich glaube, Anna hat Angst vor Pater John. Vor wem denn
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