156durften sie doch vorher die Elevinnen schwängern. Aber wie war ihre Seele beschaffen,wie sie zu überzeugen?Es konnte der Feind sein, der beim ersten Anblick einer eingedrungenen Dissidentin losschrie <strong>als</strong> sterbe er einmal wie die meisten Menschen, unerwartet voller Angst undSchrecken und Schmerz!Das musste ich auf jeden Fall verhindern. Er m u ss t e mir zuhören. <strong>St</strong>umm ausÜberraschung oder Neugierde, lange genug, dass ich seinen Charakter beurteilenkonnte, ausführlich genug, dass ich einen Weg fände, ihn zu überzeugen.Der Fahrdamm zur Pavillonanlage der Priesteraspiranten und Heroen führt über eineLandzunge, die sich im Laufe der Jahrhunderte angeschwemmt hat, so dass Zell heuteeine Halbinsel bildet. Quer über diese Zufahrtsstrasse verlief ein hohes Gittertor unddahinter sass ein kleines Häuschen mit den obligaten Husarenuniformmützchen unterdem Vordach. Wie immer schimmerten ihre Hemden weiss und sauber von dendunkleren Boleros abgesetzt durch die Dämmerung. Es waren anscheinend zwei, dieruhig wartend vorne unter einem Vordach standen, während ich hinter dem Fenster, imLicht, das zum Wasser hinaus strahlte noch zwei weitere Köpfe erkennen konnte, diesich über Irgendetwas beugten. Die <strong>St</strong>rasse wurde durch hohe, wie traurigeGottesanbeterinnen nach vorne geschwungene Lampen bestrahlt, sodass ich selbst,wenn ich mit den Wächterinnen fertig geworden wäre, nicht einfach so geradenwegsdarüber hinweg laufen konnte. Es widerstrebte mir zutiefst, mich in das kalteDezemberwasser des Sees gleiten zu lassen, um das gut bewachte Hindernis zuumgehen.Vorsichtig robbte ich mich so nahe wie möglich an den Gitterzaun heran, der sich vomTor weg nach beiden Richtungen, bis weit in das Wasser hinein erstreckte. Der Zaunwar ca. zwei Meter hoch gezogen, aber, soweit ich das im Dunkeln ausmachen konntenicht mit irgendwelchen Zacken, Glassplittern oder dolchartigen Spitzen versehen.Dann stieg mir ein bekannter Geruch in die Nase: Genau vor mir, aber auf der anderenSeite des Zaunes dampfte ein fetter, feiner Hundekothaufen vor sich durch diefrühwinterliche Nachtkühle. Ich rollte mich sofort, so weit ich konnte und so rasch wiemöglich wieder vom Zaun fort, denn ich hatte keine Lust, die vermutlich auch hier freiherumschweifende Hundemeute aufzuschrecken.Wahrscheinlich würden auch die seewärts gelegenen Ränder der Halbinsel bewachtwerden, und sei es nur auf geheimen Befehl, nachdem man sicherlich längstherausgefunden hatte, auf welche Weise der kostbare Säugling davon geflogen war.Also war mir auch dieser Zugang versperrt, denn ich wollte so kurz vor dem Ziel keinRisiko mehr eingehen.Auf seltsame Weise wollte ich aber auch verhindern, aberm<strong>als</strong> Blut zu vergiessen.Irgendwie hatte ich innerlich einen weiten Weg zurückgelegt: Wut und Zorn hatten sichunter Ellas Lachen, Shulamits kritischen Blicken, Hannahs Willen oder JakobsErzählungen aufgelöst und ich merkte, so im nasskalten Gras vor dem Heroenarealliegend, dass ich keinen Hass mehr kannte, nicht dieses bohrende <strong>Dr</strong>ängen tief in denGedärmen und dass sowohl die Husarenjäckchen <strong>als</strong> auch die geiferndenDobberfrauenhunde Kreaturen waren, verführte Kinder einer seltsamen Zeit. Und demwar anders beizukommen <strong>als</strong> mit Mord und Totschlag: Es brauchte Sprache und dieAufmerksamkeit vieler Menschen auf einem öffentlichen Platz.
157Die beiden Husarenuniformjäckchen vor dem Häuschen bewegten sich, traten einigeSchritte unter dem Vordach hervor, blickten achselzuckend die <strong>St</strong>rasse hinauf und hinabund zogen sich wieder unter das Dach zurück. Ich hörte sie leise murmeln undüberlegte, wie ich ungefährdet wieder näher heranrobben konnte.So sehr es mich anwiderte, kroch ich schnell noch einmal Richtung Hundehäufchen,langte vorsichtig durch die Gitter, ohne den <strong>Dr</strong>aht zu berühren, da ich ja nicht wusste,welche weitere raffinierte, möglicherweise laut gellenden Alarmanlagen ich auslösenkonnte und holte mir einen kräftigen Schlag der noch lauwarmen Scheisse heraus. Esschüttelte mich aber ich schmierte meine Hände, mein Gesicht, die Arme bis weit zu denSchultern, die Hosenbeine und den Scheitel ein, das Kothäufchen langte gerade so ausund ich kroch nun, platt am Boden wie eine stinkende Schlange nahe an das Tor heran."T8 könnte bald kommen, es ist kalt." Murmelte die eine Uniform und die andereantwortete: "Wir können doch auch reingehen, hier ist noch nie etwas passiert.""Lass das. Zwei müssen immer draussen stehen, das ist Befehl. Du hast ja gehört, wasdurch die Schlampigkeit auf der Mainau geschehen ist.""Glaubst du das wirklich? Meinst du nicht, dass sie uns nur zur erhöhten Wachsamkeitanregen wollen? Einen Säugling zu entführen! Und dann diese Geheimhaltung! Das istdoch Quatsch, da steckt was Anderes dahinter. Wenn ich ein Baby klauen wollte, würdeich mir das in einer <strong>St</strong>adt, rasch aus einer Kleinmädchentrage schnappen."Anscheinend rückte tatsächlich eine Art Wachablösungstermin näher, denn aus demHäuschen trat eine dritte Gestalt zu den beiden unter das Vordach."Die vom T8-Kommando sind immer unpünktlich. Mist! Wir sollten mal die Abfolgeherumdrehen und die warten lassen!"Ich kroch einige Meter vom Tor fort, richtete mich dann auf und rannte die <strong>St</strong>rasse zurAbzweigung auf die Halbinsel zurück. Ich vermutete, dass die Wachablösung eher ausConstantia herangefahren käme und ich sollte Recht behalten. Weit in der Ferne bogenzwei Scheinwerfer von der Hauptsrasse ab und rollten langsam durch dasSeeufergelände auf den Eingang zur Halbinsel zu.Ich schmierte mir feuchte Erde in das Gesicht und über die bereits bekoteten Kleiderund torkelte mitten auf die Zufahrtsstrasse hinaus, in die Scheinwerfer hinein, weitgenug vom Torhäuschen entfernt. Mit quietschenden Reifen bremste die Fahrerin undich liess mich sofort laut jammern auf den Rücken fallen. Ich hörte, wie zwei derHusarenuniformträgerinnen heraussprangen und auf mich zuliefen."Da ist wer verletzt!" Rief die Eine und ihre Begleiterin sagte: "Wo kommt denn der herhier draussen?""Zaundienst -" ächzte ich. "Ich sollte was am Zaun flicken und war auf dem Weg heim.Ich wohne in Hegne.""Das liegt hinter der <strong>St</strong>rasse." Klärte die eine Uniform die andere auf."Mein Werkzeugkasten, meine Tasche, alles fort, das waren so Bengel, halbgrosse...""Also doch." Murmelte die Erste und kniete sich nun neben mir nieder. "Scheint'serwarten sie einen Einbruch im Heroenlager. Das mit dem Kinderdiebstahl auf derMainau ist doch Blödsinn. Warum sagen sie nicht gleich was Sache ist und warum siedie Wachen verdoppelt haben?""Tut dir was weh?" Die Zweite nahm mich bei den Schultern und wollte mich aufrichten,aber ich schrie gleich los wie am Spiess: "Nicht, nicht! Die hatten Riesenknüppel und es
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