18sodass die Hunde genügend Zeit haben, auf ihr Fresssignal herbeizustürzen.""Wo sind sie jetzt?""Im Zwinger, bis wir wieder draussen sind. Später werden sie aus der Luft versorgt.Vorwärts!"Sie stiessen mich in den Schacht und schlugen die Tür hinter mir zu."Passen Sie gut auf!" rief die Ordonanz - "Ihre Vorgängerin hat auf sehr unelegante Artund Weise Selbstmord gemacht!" Und lachend hörte ich sie durch das Gebüsch wiederzurück zum Aussentor eilen.Auf dem Gummen im Jahr 135 ( 2135 n. d. Zt. )Ich habe im oberen Zimmer des alten Ferienhauses meinen Schreibtisch an das Fenstergerückt. Vor mir schiebt sich, hell und klar, das Sonnenlicht vom <strong>St</strong>anser Horn herab,und die Schatten schmelzen über die Matten auf das Dorf zu. Bald werden alle Häuserim Berglicht liegen, und die Sonne streckt buchstäblich auch für uns, direkt amWaldhang des Gummen gelegen, ihre spitze Nase über die Bäume auf dem Grat hinterdem Haus - hinein in den Gemeinschaftsraum mit kühlem Kamin und zerschlissenen,Jahrzehnte alten Sitzpolstern.Ich weiss nicht, welche Art Trauer mich immer noch überkommt, wenn ich Majas Namenauf das Papier setze. Als wären ihre Trauer oder ihr Ernst, für die sie wohl nie Wortefinden konnte und durfte, auf mich übergegangen, um wenigstens hier oben, in derEinsamkeit unseres Exils, einmal benannt zu werden, einmal bedacht und begründet,denn dam<strong>als</strong> schien es scheinbar keine Gründe mehr zu geben für Trauer oderSehnsucht, schon gar nicht für eine Frau aus der Spitze unserer Gesellschaft. Nur wirDemonstrantinnen, wir ewig unzufriedenen Lesben, störten das harmonische Gesamtbildmit unseren historischen Pflastersteinen.Als wir geboren wurden, waren die friedlichen Revolutionen und feministischenReformen, die lesbischen Partisanenkämpfe, die radikalislamischen Rollbackversuche desPatriarchats und die grossen, weltweiten Geschlechterkriege längst Teil desGeschichtsunterrichts geworden. Dass eine Urgrossmutter, von der es wenig Fotografiengab, lange Jahre ihr Geld mit Selbstverteidigungskursen für Frauen und Mädchenverdient hatte, mutete mich wohl immer ebenso seltsam an wie frühere Generationender Beruf des Henkers aus dem Mittelalter: Selbstverteidigung? Mitten im Frieden?Ich kroch vorsichtig die glatte, schmale Schräge hinauf, was nicht so schwer war, da indie Seiten Haltegriffe eingelassen waren, und gelangte schliesslich auf einen mit Gitternüberdachten Söller hinter der Mauer, von dem eine ganz normale Treppe hinunter in dieTiefe führte. Unten an der Treppe war der Hebel, um die Hühnerklappe zu öffnen, sodass die Klappe einmal-Treppe-rauf und dann Aussenschräge-runter Zeit hatte, ihrSignal abzugeben um die Hunde herbeizurufen. Obwohl der Söller sich sicher auf derMauerkrone befand, hatte er, ausser einem hübschen Rundblick über das gesamteGelände der Villa Garbo mit dem angrenzenden Bungalowareal darum herum, mir füreventuelle Fluchtaktivitäten nicht viel zu bieten, denn der Gitterkasten bestand aus fest
19einbetonierten, beinahe armdicken Eisenstangen, die, selbst in wochenlanger Arbeit,wohl nicht durchzusägen gewesen wären. Abgesehen ausserdem von der relativenÖffentlichkeit auf diesem Söller, der von allen Seiten und wohl auch mittels Fernglas vonweit her einzusehen war. Weit hinter den Rhododendrenbüschen ahnte ich, mehr <strong>als</strong> iches sah, die Insel mitten im Kiemensee, welche in spätpatriarchaler Zeit den Namen"Herrenchiemsee" trug und heute, in der Epoche einer Frauen bewussten Sprache"Frauenchiemsee" hiess. Vor mir, im Parkgelände, lag einladend und freundlich, dasweisse Gebäude der Villa, in deren Mauern ich, wie es wohl der Wille der Top Siebenwar, mein Leben und meine Werke beschliessen sollte. Vergessen oder vielleicht sogarverraten, wenn die didaktische, späte Umkrempelungsarbeit an Maya Margasdott abSarga, der Elevin des achten Ranges im Haupttempel der <strong>St</strong>adt, erfolgreichabgeschlossen war.Noch war es wohl nicht soweit, und ich fragte mich, auf welche Weise die kesseHusarenuniform wohl die Zuträgerinnenschaft bewerkstelligen wollte.Maya - oder auch Dscheltisna Maya, wie ich sie manches Mal, in Anspielung an ihrestrohgelben Haare, genannt hatte - und ihre Augen, die dam<strong>als</strong> erstaunt, liebevoll undunsicher zugleich auf mich hinunterschauten, wie ich da die roten Marmorstufenbefingerte und ihr einen nassen Wischlappen genau in den Weg gelegt hatte.Dieser Blick schlug mir schnell hinunter in den Magen. Ich senkte den Kopf, und es fielmir nichts Besseres ein, <strong>als</strong> verlegen weiterhin den roten Marmor zu ihren Füssenabzuwischen."Johanna! Mach' doch Platz!" rief meine Frau Mutter von irgendwo her, und Mayas<strong>St</strong>imme fragte leise:"Magst du mich nicht durchlassen?"Da stand ich auf, durch die <strong>St</strong>ufen noch kleiner <strong>als</strong> im Vergleich zu ihr sowieso, undwusste mit einem Male, dass ich sie wirklich nicht durchlassen wollte, dass ich dieseAugen vor mir sehen wollte, diese schmale Gestalt in den spirituell weissen Gewändern,die irgendwie ungeschickt, <strong>als</strong> handele es sich um die Kutte eines Bajazzo um ihrenKörper hingen, diese Hand nicht lassen, die nun vorsichtig das Geländer berührte."Nein!" Ich grinste und wischte die verschwitzten, putzfeuchten Haare aus dem Gesicht,während mit die Luft im Magen stehen blieb, festgehalten von der seltsamen Intensitätund Trauer die ich plötzlich in ihren Augen entdeckte."Dann aber gleich, Beide zugleich!" Lächelte sie, nahm sachte meinen Arm und schobmich so beiseite, dass sie die Treppe weiter heruntersteigen konnte und nun mit mir aufder gleichen <strong>St</strong>ufe stand. Irgendwie prüfend schauten wir uns weiter an."Du bist immer noch einen Kopf grösser <strong>als</strong> ich", flüsterte irgendein leichtsinniger Vogelin mir, und sie antwortete: "Und du dafür zwei Turnschuhgrössen breiter!""Ich bin Johanna Helgesdott und arbeite in der Bau- und Putzkolonne meiner Muttermit." Unbestimmt wies ich hinter mich in die Tiefe des Kultraumes hinein, wo ich dieanderen Frauen bei der Arbeit wusste."Maya - ich heisse Maya" antwortete sie einfach und spätestens da hätte ich erkennensollen, zu welcher Frau ich meine Augen aufgeschlagen hatte! Dort, an der vornehmenZurücknahme ihres Abstammungsnamens, hätte es mir auffallen müssen, dass Mayanicht nur irgendeine der Elevinnen war, sondern eine ab Sarga, eine jüngste Tochter,zur direkten Nachfolgerin einer der grossen sieben Alten bestimmt und erzogen dazu
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