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vollständig als pdf - Dr. Martina Schäfer, St. Gallen

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91werdenden Oberpriesterin, dann sag' es und, ich bin deine Freundin, nach wie vor.""Ich habe oft von dir geträumt, Ella und mir gewünscht, dass du so zu mir kommst. Wieimmer wir uns heute Nacht trennen, ich bleibe deine Freundin und die flotte Ersatztantedeiner Mädchen. Deshalb sollten wir auch vor Niemandem Heimlichkeiten haben, wieschwer das allen Beteiligten fällt. Ich möchte Heinrich noch in die Augen sehen können,denn er ist ein guter Mensch.""Ich auch." Sagte sie und der Mantel, der zu Boden fiel, war kein rotsamtenes Tuch,sondern der alltägliche Schutz aus schwerer Wolle gegen Regen und Wind. Aber ihreHaut darunter war hell im dämmrigen Kerzenlicht, weich und etwas kühl, <strong>als</strong> sie dieDecke fortzog und sich mit einem leisen, etwas schnupfig klingenden Seufzer nebenmich legte."Warum haben wir uns nur darauf eingelassen?" Heinrich sass, den <strong>St</strong>uhl zu dieserspäten, Nacht schlafenden <strong>St</strong>unde verkehrt herum an den Tisch gerückt, mit denEllenbogen auf die Rückenlehne gestützt da. Seine Hände umschlossen immer wieder,wie bei den betenden Menschen, die ich in der alten Dorfbibliothek auf Abbildungen inden Büchern gefunden hatte, das Gesicht, öffneten und schlossen sich, wie in einemvergeblichen Versuch, das darin Gesehene, die wirren Linien, die Innenflächen, zuentschlüsseln."Was?" Ella schaute sich vom Herd her um und unsere Blicke trafen sich, während sieweiter versuchte, aus der Glut noch ein neues Feuerchen zu wecken, das die bereitsausgekühlte Küche erwärmen sollte."Brrr - mussten die auch drüben das Feuer ausgehen lassen? Ich bin kalt bis auf dieKnochen!" Sie schürte eifrig in der Glut und Heinrich warf ihrem gebeugten Rückeneinen zweifelnden Blick zu."Diese Kälte kommt von woanders her, Ella. Natürlich lassen sie das Feuer ausgehen,wenn sich niemand mehr verantwortlich fühlt. Mist, verdammter!" Er schlug mit derFaust auf den Tisch und die bereits für den Morgen angeordneten Schüsselchen hüpftenhölzern hoch und klapperten auf den Tisch herunter."Vielleicht sollte ich lieber wieder gehen?" Ich blickte in die dunkleren Maserungen derfein gedrechselten Schalen."Du?" Er lächelte mich verdutzt an. "Das würde John so passen. Bis darauf, dass dumeine Frau verführst, hast du ja nichts Schlimmeres angestellt, oder?"Ella protestierte lauth<strong>als</strong> und kam an den Tisch zurück. Sie legte ihren Arm um HeinrichsSchultern und drückte seinen Kopf an ihre Hüfte. "Du weisst, dass sie irgendwannwieder gehen wird und ich dich und die Mädchen nie verlassen würde. Lass uns dieseVertiefung der Freundschaft. Sie nimmt dir nichts weg.""Na, gut, dass John das noch nicht weiss."Er machte sich los."Haltet euch bloss in der Öffentlichkeit mit euren fraulichen Zärtlichkeiten zurück, sonstkriegen wir den Teufel überhaupt nicht mehr in den Kasten! Hoffentlich quasseln dieMädchen kein dummes Zeug, dann hätte er nämlich seine Gründe, uns alle madig zumachen und dich wirklich davonzujagen." Er drehte seinen <strong>St</strong>uhl herum, und Ella setztesich ebenfalls. "Er hat dich ja gewarnt!" Heinrich lachte. "Und ich war der Zeuge. Hättedam<strong>als</strong> nicht im Traum gedacht, dass das mich betreffen könnte!"

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